Die Kaffeemeisterin
zurückkehrten.
»Wir müssen die Polizei rufen, damit diesen Leuten der Prozess gemacht wird! Und meine Kiste, die will ich auch wiederhaben!«
»Ach, die Polizei«, winkte Xavier müde ab. »Die machen hier in Neapel eh nie was. Im Zweifelsfall stecken die mit den Halunken sogar unter einer Decke. Nein, nein, das lassen wir mal schön bleiben.«
»Aber dann müssen wir eben selber ran! Sie haben doch eine Kutsche – lassen Sie uns schnell anspannen und zum Hafen fahren. Bestimmt kriegen wir sie da!«
Doch Xavier schüttelte nur den Kopf, als interessierte ihn das alles nicht weiter. Er legte den Arm um seine Frau, die sich wie eine rollige Katze an ihn schmiegte. Auch sie schien so schnell wie möglich zurück ins Bett zu wollen.
Von einem ehemaligen Piraten hätte sie mehr erwartet! Schon wieder war Johanna von einem Menschen, dem sie vertraut hatte, tief enttäuscht. Erst Gül, die sie so infam hintergangen hatte, und jetzt Xavier, der einfach zu faul war, sich um die Belange seiner Gäste zu kümmern. Bestimmt hatte er sein Geld von dem Ungarn längst bekommen und sah jetzt einfach nicht ein, warum er sich noch weiter anstrengen sollte.
Johanna warf einen Blick auf ihre Kisten, die ordentlich gestapelt im Hoteleingang standen. Wenigstens das Walross tat seine Pflicht, dachte sie ein wenig besänftigt.
»Ich will, dass die Truhen in mein Zimmer kommen!«, sagte sie an den Wirt gewandt.
Xavier schien in Gedanken schon wieder ganz in seinem Schlafzimmer zu sein, jedenfalls hatte er seine Hand tief in Sofias Ausschnitt vergraben.
»Das machen wir morgen früh«, versuchte er sie abzuwimmeln.
»Ich gehe nicht eher schlafen, als bis alle Truhen in meinem Zimmer sind!«
Johanna hatte beide Hände in die Seiten gestemmt und konnte sich gerade noch zurückhalten, vor Wut mit dem Fuß aufzustampfen.
»Die passen da gar nicht rein.«
»Dann müsst ihr sie eben übereinanderstapeln!«
Während Johanna Xavier und seinem Hausdiener dabei zusah, wie sie ihre Truhen unter Ächzen und Stöhnen nach oben in ihr Zimmer verfrachteten, beschloss sie, keine Nacht länger im Bella Napoli zu bleiben. Sie wollte so schnell wie möglich nach Frankfurt zurück und ihre Schätze in Sicherheit bringen. Wie genau sie das anstellen sollte, allein auf einer so langen und gefährlichen Reise, das wusste sie noch nicht. Aber sie würde es schon irgendwie schaffen. Sie musste!
Dritter Teil
DIE RÜCKKEHR
25. KAPITEL
D ie junge Frau hatte die Augen niedergeschlagen und die Hände im Schoß zusammengefaltet. Ein geflochtener Haarkranz zeichnete sich unter dem dunklen Kopftuch ab. Von der schmalen Gestalt in der grauen Bluse und dem schwarzen Faltenrock ging eine keusche Anmut aus, obwohl das einzig Helle an ihr das weiße Spitzenumschlagtuch war, das sie über die Schultern gelegt hatte.
»Sie sind also Fräulein Rachel«, sagte Gabriel, als er direkt vor ihr stand.
Abgesehen von ihrer traurigen Aufmachung war sie genauso schön wie auf dem Bild, das er von ihr gesehen hatte. Das Einzige, was ihn hoffen ließ, dass dieses stille Wasser tief war, waren die kokett von ihren Ohren schaukelnden kleinen Davidsterne. Ihr einziger Schmuck.
Aber hier in Frankfurt staksten ja auch nur die Bär-Mädchen und ihre Freundinnen unerschrocken auf hohen Hacken durch die schlammige Judengasse und ließen die eine oder andere rosa Rüsche unter ihren auffällig elegant geschneiderten schwarzen Mänteln hervorblitzen. Die anderen Bewohnerinnen hatten sich vom Roschakol einschüchtern lassen, der sie erst kürzlich wieder ermahnt hatte, Gottes Zorn nicht auf ihre Gasse zu lenken, indem sie sich schmückten und herausputzten wie die Christinnen. In Worms schien man es offenbar genauso zu halten. Oder hatten sich Rachel und ihre Mutter vielleicht bloß so trist gekleidet, weil sie in Frankfurt nicht anecken wollten? Die Frankfurter Gemeinde hatte lange Zeit als die gläubigste im ganzen Reich gegolten.
Die junge Frau sah noch immer nicht auf. Erst als ihre Mutter, eine füllige Matrone mit Stupsnase, die neben ihr auf dem Sofa saß, ihr mit dem Ellbogen einen Stoß in die Seite gab, erhob sie sich. Stumm deutete sie einen Knicks vor Gabriel an und richtete für einen Moment ihre Rehaugen auf ihn. Dann nahm sie wieder Platz, den Blick erneut auf ihre Hände gesenkt.
»Ja, das ist Rachel«, ergriff an ihrer Stelle Esther Stern das Wort. »Und das ist mein Sohn Gabriel.«
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte sie kurz. Wollte sie ihm
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