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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Treuhänder einer wichtigen Stiftung suchte er nunmehr die Gesellschaft der Ratsherren und Großen der Stadt und trank seinen Kaffee im Kaffeekollegium der Witwe Pick, das lediglich einem auser wählten Kreise zugänglich war. Seine Gattin Trudi war ziemlich unbedarft, wie Johanna fand. Sie war so weich gebettet zur Welt gekommen, dass sie nicht den blassesten Schimmer von den Verhältnissen hatte, in denen der größte Teil der Menschheit lebte. Das Einzige, was man ihr zugutehalten konnte, war ihr Bemü hen, nicht allzu sehr auf diejenigen herabzuschauen, die in weniger vorteilhafte Umstände hineingeboren worden waren als sie selbst. Allerdings sah man ihr an, wie schwer ihr das fiel, da sie eine erbärmliche Schauspielerin war.
    Endlich öffnete sich die Tür zu Philipp Ingens Bureau.
    »Johanna, willkommen zurück!«
    Das Frankfurterisch des Treuhänders wies ein leichtes Lispeln auf. Johanna war nie dahintergekommen, ob er wirklich einen Sprachfehler hatte oder sich durch sein Lispeln einfach nur distinguierter fühlte. Seine Kleidung ähnelte der der vornehmen englischen Kaufleute, die sich manchmal zur Messe bei ihr einquartierten. Gedeckte Farben, hervorragende Tuche, aber alles sehr schlicht. Nur die Lederflicken auf den Ellbogen seines Rocks wirkten lächerlich. Unter den feinen Seidenstrümpfen drückten sich dicke Krampfadern durch. Sein Gesicht war rötlich und nichtssagend, die Frisur dafür umso auffallender. Bis auf Höhe der Ohrläppchen schienen die grauen Haare eng am Kopf zu kleben, unten waren sie dann gerollt, als hätte man Würste darin eingewickelt.
    »Guten Tag, Philipp!«
    Sie hatte Mühe, ihre Stimme nicht allzu reserviert klingen zu lassen. Es war auf jeden Fall besser, ihn erst einmal anzuhören und nicht gleich loszupoltern. Aber es fiel ihr schwer, sich zu beherrschen, so wütend, wie sie war. Doch bei Menschen wie den Ingens musste man raffiniert vorgehen, da kam man nicht weiter, wenn man mit der Faust auf den Tisch haute oder türenknallend den Raum verließ.
    »Hinein in die gute Stubb!«, scherzte der große Wohltäter jovial und schob Johanna vor sich her in sein Bureau.
    Wusste er nicht, dass sie schon über eine Stunde im Vorzimmer gewartet hatte? Um ihren Unmut in den Griff zu bekommen, musterte Johanna angestrengt die dunklen Ölporträts an den Wänden, die die gleiche Jagdtapete aufwiesen wie nebenan. Wer waren diese hochherrschaftlichen Männer und Frauen wohl? Ihren Frisuren und Kleidern nach zu schließen mussten sie aus mindestens fünf verschiedenen Jahrhunderten stammen. Dass es sich um Philipp Ingens Ahnen handelte, schloss sie aus, allenfalls um die seiner Frau. Nur ein Gemälde, das direkt hinter dem mächtigen Schreibtisch hing, war neu und zeigte Philipp, Trudi und ihre beiden kleinen Söhne.
    Ein Dienstmädchen brachte knicksend einen Krug mit Waldmeisterbrause. Auf den zugehörigen Bechern war ein Wappen abgebildet, drei gelbe Sparrenbalken auf blauem Grund.
    »Das habe ich schon mal entwerfen lassen«, erklärte der Hausherr schmunzelnd, als er ihren fragenden Blick bemerkte. »Aber bitte setz dich doch endlich, Johanna!«, rief er dann.
    Er sprang wieder auf, um einen Ledersessel vor den Sekretär zu rücken, und schenkte die beiden Becher halb voll mit Brause.
    »Nun, das wurde ja allmählich auch Zeit, dass du Weitgereiste dich mal wieder in Frankfurt blicken lässt, Johanna! Es ist allerlei passiert in deiner Abwesenheit.«
    »Wo sind die Mädchen?«, platzte Johanna heraus, die sich nun doch nicht mehr beherrschen konnte.
    »Den beiden geht es gut. Sie fühlen sich sehr wohl bei uns. Trudi ist gerade zum Waisenhaus aufgebrochen und hat die beiden mitgenommen. Sie lässt dich übrigens schön grüßen. Sie freut sich, dass du wieder da bist.«
    Johanna verschlug es die Sprache. Da hatte man sie über eine Stunde zwischen all den Hirschgeweihen warten lassen, während ihre Töchter sich die ganze Zeit über ein paar Türen weiter befunden hatten! Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte Philipp Ingen den Krug mit der Waldmeisterbrause ins Gesicht geschüttet. Überhaupt wäre ihr ein ordentlicher Kaffee viel lieber gewesen als dieses seltsame Modegetränk, das eigentlich nur nach Wasser schmeckte. Aber wahrscheinlich gehörte auch Trudi Ingen zu den Leuten, die den Kaffee verteufelten, weil sie ihn für schädlich hielten. Und der feige Philipp hatte nicht den Mut, sich ihr zu widersetzen.
    »Ja, ich weiß gar nicht, wie es mit der Wohlfahrt in

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