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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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hatte ihren klammen Umhang auf einem der vier Ledersessel zum Trocknen ausgebreitet.
    Am Vorabend hatte ihr die Kraft gefehlt, sich noch auf den Weg zu Philipp Ingen, dem Vormund ihrer Töchter, zu machen, so erschöpft war sie von der langen Reise gewesen. Elisabeth hatte ihr rasch geholfen, ihr altes Schlafzimmer zwei Stockwerke oberhalb der Coffeemühle nach der langen Abwesenheit wieder halb wegs wohnlich zu machen, und ihr schließlich befohlen, mit einer Wärmflasche ins Bett zu gehen und sich erst am nächsten Morgen dem zweifellos unangenehmen Gespräch zu stellen.
    Die erste Nacht nach so langer Zeit im eigenen Bett war eine wahre Wohltat gewesen, sodass sie gut ausgeruht um halb sieben in der Frühe aufgewacht war und sich sogleich in den Regen begeben hatte. Je früher sie bei Philipp Ingen auftauchte, desto besser, hatte sie gedacht. So konnte sie wenigstens sichergehen, dass er zu Hause war, wenn sie kam. Und er würde auch keine Zeit mehr haben, sich irgendwelche Tricks auszudenken, um sie abzuwimmeln. Sie zweifelte nicht daran, dass sich ihre Rückkehr in Frankfurt wie ein Lauffeuer herumsprechen würde oder gar schon herumgesprochen hatte. Die Witwe Berger war schließlich nicht irgendwer, wie auch die Begegnung mit den beiden freundlichen Zöllnern gezeigt hatte. Wenngleich ihr Ruhm nach den Ereignissen um die Eröffnung des Damensalons wohl insgesamt eher ein trauriger war.
    Nun ließ man sie schon seit über einer Stunde im Vorzimmer in der ersten Etage des herrschaftlichen Gebäudes am westlichen Ende der Zeil warten. Angestrengt lauschte sie auf die Geräusche des gerade erst erwachenden Hauses. Im Zimmer nebenan, Philipp Ingens Bureau, wie sie wusste, waren seit geraumer Zeit gedämpfte Stimmen zu hören, die auf die Anwesenheit von Menschen hinwiesen. Sie ballte die Fäuste zusammen und starrte angestrengt zu dem leblosen Pferd auf der Zeil hinunter. Am liebsten hätte sie mit ihren Händen gegen die in vornehmem Grau lackierte Flügeltür getrommelt und Einlass begehrt. Wenn der Jagdsalon wenigstens einen Spiegel gehabt hätte, in dem sie sich hätte vergewissern können, dass ihr Khojal nicht verlaufen war! Aber dafür war zwischen den ganzen alten Waffen, Hirschgeweihen und ausgestopften Rebhühnern wohl kein Platz mehr gewesen. Selbst die Tapete zeigte ein Jagdmotiv: Vornehme Her ren hoch zu Ross verfolgten ein Wildschwein. Eine Meute braun weiß gefleckter Hunde mit schwarzen Schnauzen rannten mit wehenden Ohren und heraushängenden Zungen neben den Pferden her, während der vorderste Reiter auf seinem Horn zum Halali blies.
    Sein Bestreben, in den Adelsstand erhoben zu werden, war eine der beiden Leidenschaften, die Philipp Ingen antrieben. Die andere war seine Mildtätigkeit. Seit er vor drei Jahren die reiche Erbin Trudi Kühnemeier geheiratet hatte, die vom Alter her gut und gerne seine Tochter hätte sein können, vermochte der ehemalige Notar seinen beiden Leidenschaften uneingeschränkt nachzugehen. Trudis Vater hatte testamentarisch verfügt, dass nach seinem Tod die eine Hälfte seines Vermögens in eine Almosenstiftung fließen und die andere Hälfte an Trudi gehen sollte, die mit dem Geld ihres Vaters als Erstes das schmucke Palais am westlichen Ende der Prachtstraße Zeil erworben hatte.
    Wer hier wohnte, der hatte es geschafft! Johanna wusste ganz genau, dass ebendiese Wirkung beabsichtigt war, aber trotzdem hatte sie sich von dem dreistöckigen Neubau mit der achtfenstrigen Front und dem großartigen Eingangsportal eingeschüchtert gefühlt. In der marmornen Empfangshalle hatte sie ein livrierter Diener aufgehalten, der streng ihren Namen und ihr Anliegen erfragt und sie dann die große Freitreppe hinauf zum ersten Stock geleitet hatte.
    »Monsieur wird sich gleich um Sie kümmern«, hatte er noch gehaucht, bevor er sie in den kleinen Jagdsalon geschoben hatte.
    Als Philipp Ingen noch für Adam tätig gewesen war, dessen Verträge er gestaltet und dessen Testament er aufgesetzt hatte, war er fast jeden Tag in der Coffeemühle aufgetaucht. Johanna hatte nie wirklich verstanden, warum Adam ausgerechnet diesem frömmelnden Langweiler die Vormundschaft für seine beiden Töchter überlassen hatte. »Philipp ist äußerst zuverlässig«, hatte Adam sie zu beruhigen versucht. »Und ehrlich. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen!« Doch seit seiner Heirat mit Trudi Kühnemeier hielt Philipp Ingen es offenbar für unter seiner Würde, in der Coffeemühle zu verkehren. Als

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