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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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dieser ach so reichen Stadt« – der ehemalige Notar gab ein affektiertes Hüsteln von sich – »aussehen würde, wenn Trudi und ich nicht eingegriffen hätten. Wir haben es uns wahrhaft zur Aufgabe gemacht, uns um die Gestrauchelten und Bedürftigen Frankfurts zu kümmern. Neben dem Waisenhaus und dem Almosenkasten kümmert sich die Stiftung jetzt auch noch um ehrbare, unversprochene Bürgerstöchter in Not und um leichtfertige Mädchen – sofern sie bereit sind, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren natürlich. Ich selbst bin mehr für die Verwaltung und die Finanzen zuständig. Aber Trudi steht mittendrin. Täglich verteilt sie milde Gaben an die Notleidenden. Und Adams Töchter sind stolz, dass sie Trudi dabei helfen dürfen. Weißt du, Johanna, sie …«
    »Moment mal, Philipp!«, unterbrach sie gereizt seinen Wortschwall. Sie wusste, dass sie mit dem Feuer spielte, aber das war ihr jetzt gleichgültig. »Erstens sind Adams Töchter auch meine Töchter! Zweitens finde ich es, gelinde gesagt, eine ziemliche Unverschämtheit, dass du mich so lange in deinem Vorzimmer hast warten lassen, während die Mädchen noch im Haus waren, statt sie sofort zu mir zu schicken. Und drittens, was Trudis Barmherzigkeit betrifft, so …«
    Johanna war aufgesprungen und hatte ihren Sessel zurückgeschoben. Mit hoch erhobenem Kopf stand sie nun vor Philipp Ingens Sekretär. Sie kochte vor Zorn. Wenn sie Trudi nicht schon immer verachtet hätte, dann würde sie jetzt damit anfangen. Eine wohlhabende Frau, die es nicht nötig hatte zu arbeiten, aber so tat, als wäre sie mit ihren Wohltätigkeitsprojekten wer weiß wie beschäftigt, während andere sich krumm und buckelig schufteten, um ihre Familien zu ernähren. Und als wäre es nicht genug, dass sie innerhalb von zwei Jahren zwei Söhne bekommen hatte, nahm sie Johanna nun auch noch ihre beiden Mädchen weg. Und dann durfte man noch nicht einmal etwas gegen dieses ganze karitative Getue sagen, diese Gutherzigkeit, diese protestantische Pflichterfüllung gegenüber den Benachteiligten! Stattdessen musste man sich auch noch schlecht fühlen, weil man einen mildtätigen Engel verabscheute.
    Philipp Ingen ignorierte ihren Einwurf einfach. Als stünde sie nicht mit zornroten Wangen vor ihm und hätte ihm sein unverschämtes Verhalten vorgeworfen, fuhr er mit seiner Litanei fort. Lediglich seine Stimme hatte einen etwas strengeren Unterton angenommen.
    »… und dann überwacht Trudi auch noch persönlich, wie die Almosen eingesetzt werden. Dabei unterstützt sie der Pfarrer von der Barfüßerkirche. Manche von unseren Schäfchen sind nämlich so dem Suff verfallen, dass sie die zwei Brotlaibe, die wir ihnen pro Woche aushändigen, sofort verflüssigen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Er blickte sie nicht an, als er sich selbst und ihr, die sie ihre Brause bisher nicht angerührt hatte, noch einmal nachschenkte. Dann, als wollte er ihr zeigen, dass jede Menge Arbeit auf ihn wartete, zog er einen Stapel Papier zu sich heran und tauchte seine Feder in ein großes blaues Tintenfass. Mit schwungvollen Buchstaben schrieb er das Datum des heutigen Tages in die obere rechte Ecke des ersten Blattes: 2. Juni 1733.
    Johanna wurde klar, dass sie keinen Schritt weiterkommen würde, wenn sie sich den Vormund ihrer Töchter zum Feind machte. Er würde jeden Vorwurf, den sie ihm machte, einfach an sich abprallen lassen. Als wäre sie eine lästige Fliege, die man mal eben so mit einem Wedeln der Hände vertrieb. Oder gar mit der Patsche erschlug. Nein, sie musste ihre Taktik ändern, wenn sie bei Philipp Ingen etwas erreichen wollte.
    »Eure Arbeit hat meine volle Unterstützung, Philipp.«
    Johanna strich sich über ihr Kleid und nahm wieder Platz, als hätte sie nur ein paar Falten in den Stoffmassen ihres Rockes richten wollen. Sie spürte, wie ihr Zorn verrauchte. »In der Ruhe liegt die Kraft« – wer hatte das noch immer zu ihr gesagt? War es Adam gewesen? Oder die alte Aglaia? Wer auch immer: Es war auf jeden Fall besser, nicht wie eine aufgebrachte Furie auf andere Menschen loszugehen, sondern ihnen ganz ruhig und unvoreingenommen zu begegnen. Abgesehen davon, dass man seine eigenen Nerven auf diese Weise schonte.
    »Niemand hat ein Interesse daran, dass diese armen Menschen bettelnd auf der Straße herumhängen, ihre Wunden zur Schau stellen und unsere Kunden anpöbeln«, fuhr sie einlenkend fort.
    Doch noch während sie sprach, merkte sie, dass sie etwas Falsches gesagt

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