Die Kaffeemeisterin
hatte.
»Also, darum geht es unsereinem ja gar nicht, liebe Johanna!«, erwiderte Philipp Ingen ein wenig spitz. »Uns treibt die reine Barmherzigkeit. Es gibt so viel Gutes, das man tun kann auf dieser Welt …«
Während er lispelnd über die neue Armenküche und das Spital für Kriegsverletzte schwadronierte, das er und Trudi planten, und sich über den Geiz der besser gestellten Bürger der Stadt beklagte, die so schwer zum Spenden zu bewegen seien, entwickelte sich peu à peu ein Plan in Johannas Kopf. Plötzlich erkannte sie, wie sie den Vormund ihrer Töchter gleichzeitig bei seinem Bestreben, in den Adelsstand aufzusteigen, und seinem Wunsch nach mildtätigen Spenden packen konnte. Sie nippte an ihrer Brause und lehnte sich entspannt zurück. So schlecht schmeckte das Gesöff gar nicht, musste sie zugeben. Alles würde gut werden, das spürte sie jetzt.
Philipp Ingen hatte nun doch das Thema gewechselt und war bei ihr, Johanna, angekommen.
»Ich habe immer zu Trudi gesagt: ›Johanna weiß gar nicht, was da vor sich geht in diesem Bornheim.‹ Seit damals, als du dort aufgewachsen bist, hat sich der Ort von Grund auf verändert. Und die Dirnen sind nicht nur immer mehr, sondern auch immer dreister geworden. Auf offener Straße sprechen sie einen heutzutage an, Johanna!«
Seine Stimme klang so vorwurfsvoll, als hätte sie persönlich dafür gesorgt, dass die »Bernemer Mädsche« jeden Respekt vor ehrbaren Frankfurter Bürgern verloren hatten. Woher wusste er das eigentlich?, fragte sie sich und hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. War er etwa auch regelmäßiger Gast in den einschlägigen Etablissements? Wenn das die gute Trudi wüsste!
»Na ja, und deine Freundin Elisabeth, die war ja kaum mehr zu Hause und hat sich um die beiden Kleinen gekümmert«, beschwerte sich der Treuhänder weiter. »Immerzu hat sie bei diesem Kartenmacher gesteckt. Auch über Nacht, wenn mich nicht alles täuscht. Dabei ist sie verheiratet! ›Wir müssen uns der Töchter meines lieben Freundes Adam unbedingt annehmen‹, habe ich schließlich zu Trudi gesagt, ›auf dem Totenbett habe ich dem guten Mann versprochen, dass ich für seine Kinder sorge. Und was ein Ingen ist, der hält sein Wort!‹«
»Aber nun bin ich ja wieder da«, sagte Johanna ruhig. »Ich warte hier auf Trudi und die Mädchen und nehme sie dann gleich mit.«
»Ich weiß gar nicht, ob sie hier wieder wegwollen.« Er lachte ein wenig gekünstelt. »Sie sind ganz hingerissen von Trudi. Und ich weiß auch gar nicht, wann Trudi zurückkommt. Sie wollte noch bei den von Müllers vorbeischauen. Die haben uns eine größere Spende in Aussicht gestellt.«
»Ja, darauf wollte ich nachher auch noch zu sprechen kommen«, brachte Johanna nun ihre Kanonen in Stellung.
»Worauf?«
»Auf die Spendengelder, die ich möglicherweise für eure Stiftung besorgen kann. Was ihr beiden leistet, ist ja so vorbildlich! Ein solches mildtätiges Engagement wird auf der ganzen Welt bewundert.«
»Tatsächlich?«
»Ich denke da an zwei sehr bedeutende Persönlichkeiten, die sich für eure Stiftung interessieren dürften«, verkündete Johanna gewichtig. »Da wäre einmal der Conte Giustinian, einer der wichtigsten Repräsentanten der Republik Venedig.«
Philipp Ingen zog beeindruckt die Augenbrauen hoch.
»Ist das wahr?«, fragte er staunend.
Johanna nickte. Sie verzog keine Miene. Nach dem Betrug, den der Conte an ihr begangen hatte, verspürte sie nun auch keinerlei Skrupel, ihn für ihre Zwecke zu benutzen.
»Vermutlich wird sich sogar die Serenissima beteiligen.«
Übertreib jetzt nicht, rief sie sich in Gedanken zur Ordnung, sonst wirst du unglaubwürdig! Aber dann ging die Fantasie doch mit ihr durch.
»Und außerdem werde ich mit Sicherheit meine Herrin und Mäzenin, die Prinzessin Zehra, für eure Sache gewinnen können, die Schwester des osmanischen Herrschers. Du musst wissen, mir wurde in einer hochoffiziellen Zeremonie der Titel einer ›Kaffeemeisterin des Sultans‹ verliehen.« Sie beugte sich über den Sekretär zu Philipp Ingen vor und senkte vertraulich die Stimme. »Ein Amt, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Eines der höchsten bei Hofe! Ich kann mich auch offiziell so nennen – aber du und Trudi, ihr müsst mich natürlich nicht mit diesem Titel anreden. Die Prinzessin hat mir einen Sack voller Goldmünzen mitgegeben. Eigentlich war das Geld ja für die Sanierung der Coffeemühle gedacht, aber sie hat bestimmt nichts dagegen,
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