Die Kaffeemeisterin
mich ganz auf dich.«
Seine Stimme war so sanft geworden, als könnte er kein Wässerchen trüben, und sein Lächeln so mild wie das einer Betschwester. Doch wieder täuschte der Eindruck: Mit der Behändigkeit eines großen haarigen Affen sprang Gottfried Hoffmann unversehens auf, packte den Stuhl, auf dem er gerade noch gesessen hatte, mit beiden Händen und donnerte ihn mit voller Wucht auf den Tisch. Diesmal fielen die Apfelweinbecher zu Boden, wo sie in Scherben zersprangen.
Jockel Lauer und der Bierbrauer waren erschrocken zurückgewichen.
»He, was soll das, Gottfried?«, fragte der Schnapsbrenner verdattert und legte seine Weste ab, von der der Apfelwein tropfte.
»Ich muss schon sagen …«, begann Hildebrand Praetorius und strich sich ein paar Tropfen von der Hose.
Martin Münch, der wie durch ein Wunder nichts abbekommen hatte, sagte kein Wort. Er war blass geworden. Seine Hände und Knie zitterten leicht.
»Ich wollte nur mal sehen, ob ihr alle noch wach seid und mir auch wirklich zuhört«, grinste Gottfried Hoffmann.
Seelenruhig stellte er den Stuhl, dessen Lehne an einer Stelle durchgebrochen war, wieder auf den Boden.
»Bring uns was Neues zu trinken, Martin!«, befahl er dann.
Mit wackeligen Beinen trat dieser zu dem großen Apfelweinfass und füllte einen tönernen Krug bis zum Anschlag mit der goldgelben Flüssigkeit. Dann nahm er drei Becher vom Regal und brachte sie zum Tisch. Als er allen eingeschenkt hatte, bückte er sich, um die Scherben vom Boden aufzulesen.
»Lass den Mist!«, knurrte Hoffmann. »Das kannst du später machen. Schenk dir lieber auch was ein und setz dich zu uns. Entspann dich!«
Doch Martin Münch war zu durcheinander, um seinen Worten Gehör zu schenken. Wie in Trance begann er mit einem Lappen den Tisch abzuwischen. Der große zottelige Bär und die beiden Hunde mit den Maulkörben, die sein Nachbar vor ein paar Tagen zurück auf seinen Hof geholt hatte, kamen ihm in den Sinn. Gottfried Hoffmann hatte ihn gesehen, wie er gebannt am Zaun gestanden und auf das unheilvolle Quartett gestarrt hatte. Ohne einen Ton zu sagen, hatte sein Nachbar ihm gönnerhaft zugenickt und ruckartig an der Kette des Bären gezogen, sodass dieser laut aufgejault hatte.
»Entspann dich, habe ich gesagt!«, brüllte Hoffmann.
Als Martin Münch noch immer nicht auf ihn reagierte, sondern stumm mit dem Wischen fortfuhr, sprang er auf und drückte ihn mit beiden Händen auf den Stuhl mit der zerbrochenen Lehne.
»So ist brav!«, sagte er in einem Ton, als wäre sein Kollege ein Hund. »Glaub mir, Martin, es ist wirklich besser, wenn du hier nicht so einen Wind machst! Ich habe etwas Wichtiges zu sagen, und ich will, dass du mir gut zuhörst.«
Er schaute dem in sich zusammengesackten Martin Münch ernst ins Gesicht. Obwohl er leicht lallte und blutunterlaufene Augen hatte, wirkte er vollkommen klar.
»Auch wenn es so aussieht, als ob die Bergerin wieder Oberwasser hätte – du wirst für unsere Sache kämpfen, Martin! An dir hängt es, ob die Coffeemühle wieder aufmachen kann oder nicht. Du wirst in dem Prozess die Richter davon überzeugen, dass der Laden geschlossen bleiben muss. Zumal die Bergerin sich irgendwo illegal Geld beschafft hat, sonst könnte sie den ganzen Aufwand mit der Neueröffnung überhaupt nicht bezahlen. Es war doch alles kaputt, wir haben schließlich saubere Arbeit geleistet.«
Beifall heischend blickte er in die Runde. Jockel Lauer klatschte prompt in die Hände, während der Bierbrauer bloß angewidert die Lippen verzog.
Martin Münch starrte wie abwesend vor sich hin. Warum nur hatte er Gottfried gegenüber erwähnt, dass Ännchen an dem Geiger etwas komisch vorgekommen war?
»Wir haben uns verstanden, nicht wahr, Martin?«
Gottfried Hoffmann hatte seinen Nachbarn beim Kragen gepackt und brachte sein Gesicht nun so nah an das des anderen heran, dass sich ihre Nasenspitzen berührten.
Martin Münch nickte wortlos. Wie er diesen Kerl verabscheute! Aber noch größer war die Abscheu vor sich selbst. Warum nur ließ er sich immer wieder von diesem widerlichen Schlä ger einschüchtern? Warum gelang es ihm einfach nicht, sich gegen ihn aufzulehnen?
»Dann lasst uns anstoßen, meine Freunde!«, trompetete Gottfried Hoffmann, der seinen Kollegen wieder losgelassen hatte, durch das leere Lokal. Mit einem hämischen Grinsen hielt er seinen Becher in die Höhe. »Auf dich, Martin! Auf unseren stillen Helden!«
29. KAPITEL
D a war er nun, der große Tag, von
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