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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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dem alles, aber auch wirklich alles abhing. Johanna war so aufgeregt, dass sie befürchtete, keinen Mucks herauszubekommen, wenn sie vor Gericht Rede und Antwort stehen sollte. Sie hatte kaum geschlafen und keinen Bissen herunterbekommen. Mach dich nicht kleiner, als du bist!, hatte sie sich selbst Mut zu machen versucht. Du bist die Kaffeemeisterin des Sultans. Du hast ganz andere Dinge überstanden: Die Janitscharen des Sultans hätten dir um ein Haar den Kopf abgehackt, du wärst fast ertrunken, du bist in die Hände von Piraten gefallen, du wurdest bestohlen, du hast deine Kinder zurückgeholt. Das alles hast du bewältigt …. Trotzdem fühlte sie sich eingeschüchtert und hatte Angst.
    Sie und die Mädchen steckten in ihren Sonntagskleidern. Lili in einem roten, Margarethe in einem blauen Kleid, beide mit dem gleichen Blümchenmuster. Die frisch gewaschenen Haare der Mädchen waren zu strammen Zöpfen geflochten, und auch unter Johannas guter Haube lugte kein Härchen hervor.
    Auf dem kurzen Weg von der Coffeemühle zum Römer hüpfte Lili mit wippenden Zöpfen vorneweg.
    »Es muss einfach klappen, es muss einfach klappen!«, sang sie im Rhythmus ihrer Hopser.
    Ja, es musste einfach klappen, sagte sich Johanna. Wie ein Gebet hatte sie diese vier Worte in den letzten Tagen so oft vor sich hin gemurmelt, dass sie auch für die Mädchen zu einer Art Zauberformel geworden waren. Sie brauchte diese Lizenz mehr als alles andere, das sie je im Leben gebraucht hatte. Sonst wäre die ganze Reise, das ganze letzte Jahr völlig umsonst gewesen! Wenn sie ihre Gerechtigkeit nicht zurückerhielt, konnte sie sich eigentlich nur noch einen Strick nehmen – nachdem sie die Mädchen zuvor bei Philipp Ingen abgeliefert hätte. Verhungern würde sie zwar nicht sofort, wenn sie ihr Kaffeehaus nicht wieder eröffnen durfte, weil sie ja noch eine ganze Weile von Zehras Schätzen zehren könnte. Und danach könnte sie immer noch beim Conte zu Kreuze kriechen und wieder seine Mätresse werden, wenn nicht gar eines Tages seine Ehefrau. Oder sie würde tatsächlich Aglaias Nachfolge im Sultanspalast antreten. Aber das war nicht das, was sie wollte! Nein, sie gehörte nach Frankfurt, sie wollte hier leben, zusammen mit ihren beiden Töchtern und ihren Freunden und vielleicht auch …
    Sie zwang ihre Gedanken, zu dem unmittelbar Bevorstehenden zurückzukehren. Irgendwie musste es ihr gelingen, dem Jüngeren Bürgermeister ihre Unschuld zu beweisen. Von ihm hing alles ab, er würde darüber befinden, ob sie ihre Gerechtigkeit zurückerhielt oder nicht.
    Am selben Tag, da sie die Mädchen bei ihrem Vormund abgeholt hatte, war sie zum Rechneiamt geeilt, das die Konzessionen vergab. Auch dort hatte man sie eine Ewigkeit warten lassen, bis sich endlich ein freundlicher älterer Herr auf eine etwas umständliche Weise um sie gekümmert hatte. Stundenlang hatte er in unterschiedlichen Akten gekramt und ihr schließlich in lakonischem Tonfall mitgeteilt:
    »Das waren nicht wir. Das kam von der Konstablerwache. Sie müssen sich an die wenden, wenn Sie die Coffeemühle wieder aufmachen wollen. Ich weiß nicht, was da gegen Sie vorliegt. Das geht nicht aus den Akten hervor.«
    Sofort am nächsten Morgen hatte sie sich in die Konstablerwache begeben. Der anwesende Offizier war damit beschäftigt gewesen, zwei Huren in Schach zu halten, die immer wieder keifend aufeinander losgingen, während seine Piketts einen einarmigen, an einen Stuhl gefesselten Mann bewacht hatten, der wild an seinen Fesseln zerrte und brüllte wie ein Stier.
    »Kommen Sie morgen wieder, gnädige Frau«, hatte der Offizier gesagt. »Sie sehen ja, was hier los ist.«
    Da hatte es ihr gereicht, und nach kurzem Überlegen war sie zu dem Entschluss gekommen, dass Philipp Ingen ruhig etwas dafür tun könnte, dass sich seine Adelsträume erfüllten. Und dass auch Trudi ihr noch einen Gefallen schuldete, weil sie die Mädchen so ausgenutzt hatte. Nachdem Philipp, ge trieben von der Aussicht auf vornehme Bekanntschaften und Stif tungsgelder, sich einmal dahintergeklemmt hatte, war tatsächlich Zug in die Angelegenheit gekommen.
    »Äh, Johanna«, hatte er gestottert, als wäre die Sache so unglaublich, dass man eigentlich gar nicht darüber sprechen konnte, »die haben einen Zeugen, der behauptet, der Geiger auf dei nem Fest sei Jude gewesen. Es geht gar nicht nur um die Prügelei, wie wir die ganze Zeit gedacht haben. Sie behaupten, du hättest dich strafbar gemacht und müsstest

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