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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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eigentlich längst im Kerker sitzen. Das ist schon eine schwere Anschuldigung, aber natürlich ist es vollkommen übertrieben, dich wegen so etwas vor Gericht zu stellen. Da muss dich jemand ganz schön auf dem Kieker haben. Andere kommen schließlich auch mit einem Bußgeld davon. So etwas habe ich noch nie gehört!«
    Der Schreck war ihr in alle Glieder gefahren, aber dann hatte sie so kaltblütig gehandelt, als wäre sie die Mutter des Sultans persönlich und müsste sich in einem Schlangennest behaupten. Wer konnte schon von ihrer geheimen Vereinbarung mit Gabriel wissen? Ludwig Haldersleben, der hatte eins und eins zusammengezählt. Und es auch Elisabeth gesagt. Hans und Hetti Lenz wussten natürlich ebenfalls, dass Gabriel Jude war. Aber die würden sie doch nicht verraten haben …
    »Das kann nicht sein! Was soll das für ein Zeuge sein? Der Geiger war Italiener, Gabriele Stella aus Venedig, ein Schüler des großen Antonio Vivaldi. Von einem Juden weiß ich nichts.«
    Vehement hatte sie den Kopf geschüttelt und Philipp gerade in die Augen gesehen.
    »Nun, wir haben keine andere Wahl, Johanna. Die wollen dir deine Gerechtigkeit auf Teufel komm raus nicht wiedergeben. Ein Jahr machen sie einfach nichts, warten ab, und dann wollen sie diesen Prozess anstrengen …« Er hatte selbst ein wenig fassungslos gewirkt und missbilligend mit der Zunge geschnalzt. »Du hast Feinde in dieser Stadt, Johanna, mächtige Feinde!«, hatte er hinzugefügt. »Gegen die nicht mal ich was unternehmen kann. Aber wenn an der Sache nichts dran ist, wie du sagst, umso besser! Nur wird auf jeden Fall dieser Prozess stattfinden, das können wir jetzt leider nicht mehr verhindern. Aber vielleicht kriegen wir es wenigstens hin, die Verhandlung möglichst zügig stattfinden zu lassen – ich schau mal, was sich machen lässt.«
    Gerade eine Woche war seit diesem Gespräch vergangen. Nun befand sie sich tatsächlich, in Begleitung ihrer engsten Vertrauten, im Audienzsaal des Jüngeren Bürgermeisters im Römer, um sich dem Verhör auszusetzen. Die Frühlingssonne erhellte das dunkel getäfelte Zimmer mit den vielen Flaggen aus schwerem Tuch. Leicht erhöht auf einem Podest stand in der Mitte des Raumes ein großer Eichentisch mit üppigen Schnitzereien, an dem der Jüngere Bürgermeister, sein rechtsgelehrter Beisitzer von der zweiten Bank und der Protokollant saßen.
    Der Jüngere Bürgermeister klappte die vor ihm liegende Akte zu und sah auf.
    »Nun, dann wollen wir mal!«
    Johanna versuchte sich einzureden, dass sein Blick etwas Gütiges hatte. Er stammte aus einer der Familien, die seit Jahrhunderten die Stadt regierten und alle wichtigen Ämter unter sich aufteilten. Ein typischer Vertreter des Frankfurter Patriziats, so schien er ihr. Vornehm, aber dennoch bodenständig.
    Cornelia Haldersleben war einen Schritt vorgetreten, um die Mädchen an die Hand zu nehmen und sich mit ihnen in den hinteren Teil des Gerichtssaals zu begeben. Dort standen dicht gedrängt Ludwig Haldersleben mit Elisabeth, die Denzels sowie Philipp und Trudi Ingen mit ihrem nun auch für Johanna tätigen Advokaten. Zu Johannas großer Überraschung waren auch die Bendersgattin Ursula Volckhardt und die am fraglichen Tage nur knapp einer Vergewaltigung entgangene Bijoutiersfrau Christine Haberkorn zu der Verhandlung gekommen. Dass sie von dieser Seite, vollkommen unerwartet, Unterstützung erfuhr, hatte Johanna tief gerührt. »Was ist Ihnen doch für ein Unrecht widerfahren, meine Liebe!«, hatte die Bendersgattin Johanna zugeraunt, als diese an ihr vorbei den Raum betreten hatte, und ihr ermutigend auf die Schulter geklopft.
    In einer Ecke auf der anderen Seite des Saals, der voll besetzt mit den üblichen Schaulustigen war, wartete der Polizeiadjutant mit dem flaumigen Haar. Er hatte seinen Dreispitz abgenommen, sodass die wenigen Strähnen auf seinem Kopf in alle Himmelsrichtungen abstanden. Neben ihm befand sich der Criminalreferier, der den Fall dem Jüngeren Bürgermeister vortragen würde. Dieser läutete nun höchstpersönlich die vor ihm auf dem Eichentisch stehende Glocke und setzte eine würdige Miene auf. Zwei Ratsdiener klappten feierlich die großen Flügeltüren zu. Das Stimmengemurmel im hinteren Teil des Saales verstummte schlagartig, und eine angespannte Stille senkte sich über den Raum.
    Wie ein Schauspieler, der eine Bühne betritt, brachte sich der Criminalreferier vor dem Tisch der Ratsherren in Position.
    »Wohl- und Hoch-Edelgeborene,

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