Die Kaffeemeisterin
ausgerechnet ich?«, fragte er.
»Darum!«, sagte Gottfried mit gefährlich leiser Stimme und starrte ihn aus seinen blutunterlaufenen Augen an.
»Mensch, Martin!«, sprang Jockel nach einem Moment des Zögerns hilfsbereit ein. »Wir haben keine andere Wahl! Die Berger-Schlampe kennt Gottfried. Herr Praetorius ist eine bekannte Persönlichkeit in der ganzen Stadt, und ich – na ja«, kicherte er gepresst, »ich eigne mich auch nicht wirklich dazu.«
Jockels Verbrechervisage flößte wahrlich niemandem Vertrauen ein, dachte Martin Münch. Selbst wenn er ausnahmsweise mal gar nichts Böses im Sinn hatte, schauten ihn die Menschen misstrauisch an, hielten ihre Geldbeutel fest und blickten sich nach den Ordnungshütern um. Jockel Lauer sah genau so aus, wie brave Bürger sich einen Verbrecher vorstellten.
»Aber ich bin doch viel zu auffällig!«, protestierte er.
»Du willst dich nur mal wieder drücken!«, stieß Gottfried Hoffmann wütend hervor und trat seinem Nachbarn unter dem Tisch ans Schienbein, sodass die Becher auf dem Tisch gegeneinanderschepperten.
»Na, na«, versuchte der Bierbrauer zu beschwichtigen.
»Es wird dir nicht gelingen, dich zu drücken! Oder stehst du etwa nicht hinter unserer Sache?«
»Doch, doch, natürlich!«, stotterte Martin Münch und hielt sein schmerzendes Schienbein.
Er würde etwas liefern müssen, um glaubwürdig zu bleiben, überlegte er. Je mehr er von dieser Kaffeehauswirtin hörte, desto interessanter erschien sie ihm. Nur einmal hatte er sie vor wenigen Wochen im Vorbeilaufen zufällig vor ihrem Lokal stehen sehen, und da er im Kampf gegen die Kaffeehausbesitzer bisher nicht an vorderster Front gekämpft hatte, konnte es gut sein, dass sie ihn noch nie bewusst wahrgenommen hatte. Wenn er ehrlich war, bewunderte er Johanna Berger sogar aus ganzem Herzen, wie sie so tapfer Widerstand gegen Gottfried Hoffmann und Jockel Lauer leistete und offenbar gänzlich unbeeindruckt von ihren Machenschaften weiter ihren Weg verfolgte. Noch dazu war sie ihm einfach unglaublich anziehend erschienen, mit ihrer zierlichen Figur und dem roten Haaransatz, der unter ihrer Haube hervorgelugt hatte. Die sehr blasse Haut und die kastanienfarbenen Augen hatten einen hübschen Kontrast zueinander gebildet. Sie hatte die Aura eines Menschen, der einmal etwas Großes tun würde, auch wenn sie es selbst noch nicht wusste. Und sie wirkte wie jemand, der den Dingen auf den Grund ging, der keine halben Sachen machte, sondern alles bis zum Ende durchfocht.
Plötzlich verspürte er eine gewisse Vorfreude, dass er die Frau, von der so viel die Rede war, endlich einmal persönlich kennenlernen würde. Auch wenn ihm die Umstände ganz und gar nicht recht waren, so ließe sich doch vielleicht noch etwas aus der Situation machen. Zumindest würde sich ihm eine Gelegenheit bieten, mit dieser starken und faszinierenden Frau ins Gespräch zu kommen.
3. KAPITEL
L autes Stimmengewirr und ein durchdringender Essens geruch empfingen Johanna, als sie die Gaststube betrat. Während sie noch ein paar dringende Einkäufe erledigt hatte, war die Coffeemühle richtig voll geworden. Hannes, ihr elsässischer Koch, ruhte sich wie jeden Tag über einem Becher dampfendem Kaffee vom Kochen aus und schaute Schosch bei der Arbeit zu. Nachdem sie einige Gäste persönlich willkommen geheißen und mehrere Hände geschüttelt hatte, trat sie zu dem Koch an den Familientisch.
»Hast du alles bekommen?«, begrüßte er sie.
Er hatte sich so hingesetzt, dass er die Töpfe auf dem Herd auch während seiner Pause im Blick hatte.
»Ja, bis auf Milch. Die hatten sie heute nicht.«
Johanna ließ sich auf dem kleinen Hocker ihm gegenüber nieder. Einen Moment nur, einen winzigen Moment wollte sie sitzen, mit dem Rücken zum Geschehen. Gleich würde sie sich wieder um alles kümmern.
»Schau mal, das habe ich heute Morgen auf dem Weg hierher in die Hand gedrückt bekommen.«
Hannes schob ihr einen zerknitterten Zettel hinüber. Er war ein stämmiger Mann mit dunkelblonden Korkenzieherlocken. Sein Gesicht war stark gerötet, da er häufig dem Schnaps zusprach.
Was konnte das nun schon wieder sein? Johanna hatte erst Lesen und Schreiben gelernt, als sie schon erwachsen war. Adam hatte es ihr beigebracht. Sie war nur eine einfache Bauerntochter, und niemand hatte geglaubt, dass diese Fähigkeiten für sie eines Tages von Nutzen sein könnten. Jeden Abend, wenn die Kinder schliefen und das Kaffeehaus geschlossen war, hatte Adam mit
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