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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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hatte.
    Johanna rechnete es ihrem Nachbarn hoch an, dass er nicht ein einziges Mal in Versuchung gekommen war, den illegalen Kaffeestand auf dem Römerberg aufzusuchen. »Ich fühle mich hier wohl. Ihr Kaffee ist der beste, da muss ich nichts Neues ausprobieren«, hatte der Schuhmacher gesagt, als sie ihn auf ihre Konkurrentin angesprochen hatte.
    Vom Herd roch es nun so stark nach Essen, dass sie plötzlich merkte, wie hungrig sie war. Gerade noch war sie fürchterlich erschöpft gewesen, aber durch die neue Geschäftsidee fühlte sie sich nun seltsam belebt. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte alles laut in den Raum hineinposaunt. Aber nein, die Konkurrenz würde noch früh genug davon Wind bekommen. Doch ganz für sich behalten konnte sie die Idee auch nicht.
    »Ich mache das!«, platzte sie dem verdutzten Schuhmacher gegenüber heraus.
    »Was?«
    »Ich eröffne einen Salon für Damen. Stellen Sie sich das mal vor …« Sie drehte sich mit dem Gesicht in den Raum und zeigte zum Hinterzimmer. »Ich stelle den Billardtisch nach vorne und richte das abgeschottete Zimmer dort hinten schön ein, damit die Damenwelt es gemütlich hat. Das ist eine sensationell neue Idee! Sie werden alle kommen«, triumphierte sie.
    »Das ist es also, was Ihnen die ganze Zeit schon durch den Kopf geht, während wir hier sitzen!« Denzel lachte vergnügt. »Aber Sie haben völlig recht: Das hört sich wirklich nach einem grandiosen Plan an.«
    Er nippte an seinem Kaffee und schwieg einen Moment.
    »Sie könnten Zettel bei mir auslegen«, sagte er dann. »Ich würde Sie natürlich weiterempfehlen, keine Frage.« Mit ernster Miene deklamierte er: »Ein jeder sehe nicht aufs Seine, sondern auf das, was seinem Nächsten dient!«
    Wahrscheinlich wollte der Schuhmacher eine Provision für seine Vermittlung kassieren, vermutete Johanna. Doch sie hatte keine Lust, jetzt schon mit ihm darüber zu verhandeln. Denzel führte zwar immer das Wort Gottes im Mund, aber das Leben eines Bettelmönchs hätte er nicht führen wollen.
    »Es würden vielleicht nicht die Vornehmsten der Vornehmen kommen. Aber so ein kleines Tässchen nach dem Schuhkauf, das würde bei meinen Kundinnen sicher gut einschlagen …«
    Ohne dass Johanna ihr Herannahen gehört hätte, stand plötzlich wieder Anne neben ihnen und knallte hektisch zwei dampfende Schüsseln mit Wirsingeintopf auf den Tisch.
    Sie hatte sich schon wieder umgedreht, als Johanna ihr hinterherrief:
    »Wo sind Margarethe und Lili?«
    Ihre zehn und dreizehn Jahre alten Stieftöchter hatten nach dem Tod ihres Vaters Adam nur noch sie. Sie musste gleich nach ihnen schauen.
    »Essen oben mit Sybilla. Bringt sie auch ins Bett.«
    Anne hatte es zu eilig, um in ganzen Sätzen zu reden. Sie war schon wieder unterwegs zum Herd, wo Hannes mit einer großen Schöpfkelle Schüssel um Schüssel füllte.
    Pünktlich zum Essen öffnete sich die Tür zur Straße, und der Kartenmacher trat ein.
    »Darf ich?«, fragte er höflich und ließ sich mit klirrenden Orden auf seinem Stammplatz neben dem Schuhmacher nieder. Er legte eine eng gewickelte Rolle neben sich ab.
    »Die werde ich Eisenzink verkaufen«, antwortete er auf Johannas fragenden Blick. »Dem Schießpulvermühlenbesitzer. Es ist eine Karte von Oberitalien, wohin sie gerade unterwegs sind.«
    »Die Bergerin hat eine neue Geschäftsidee. Sie überlegt, einen Salon für Damen zu eröffnen«, kam Gregor Denzel ohne Umschweife auf ihr eigentliches Thema zurück. Er tauchte seinen Löffel tief in den Wirsingeintopf.
    »Ausgezeichnet!«, stimmte der Kartenmacher heftig nickend zu. Etwas Staub fiel aus seiner Perücke auf den Tisch. »Das wäre sicher auch etwas für meine Schwester.«
    Cornelia Haldersleben führte ihrem Bruder den Haushalt, seit dieser verwitwet war. Sie hatte ihren Mann in Darmstadt allein gelassen. Die Kinder waren schon lange aus dem Haus. Sie war eine resolute ältere Dame, die ihr dünnes, weißes Haar in einem souveränen Dutt trug. Jeden Vormittag unterrichtete sie Margarethe und Lili in Lesen, Schreiben und Rechnen. Nachmittags durften die Mädchen Ludwig Haldersleben beim Kartenstechen zusehen. Lili war ganz sicher, dass sie später einmal Kartenmacherin werden wollte. Für Margarethe, die Ältere und Vernünftigere, kam nur eine Zukunft als Kaffeehauswirtin infrage.
    »Ihre Schwester könnte als eine Art Gastgeberin fungieren«, spann Schuhmacher Denzel die Idee weiter. »Sie wäre genau die Richtige dafür. Wenn Ihre Schwester

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