Die Kaffeemeisterin
erraten haben musste, »aber man konnte das damals schon sehen, dass du einmal so tüchtig und strebsam werden würdest wie heute.«
Sie drehte ihr Gesicht wieder zu Johanna um und sah sie treuherzig an.
»Weißt du, Hanne, manchmal denke ich, du brauchst wieder einen Mann. Einen, der nett zu dir ist. Der dich liebt und verwöhnt. So wie … ja, so wie Ludwig. Du ahnst ja gar nicht, wie gut er mir tut!« Ihre Augen verdunkelten sich. »Wenn ich nur daran denke, dass dieses Schwein ihn mir beinah weggenommen hätte …«
Elisabeth schien zu merken, dass Johanna wenig Neigung verspürte, sich um diese Uhrzeit zum hundertsten Mal ihre Lobeshymnen auf Ludwig Haldersleben anzuhören.
»Weißt du, man neigt sonst als Frau dazu, zu hart zu werden, wenn man keinen Mann hat«, führte sie ihren Gedankengang schnell zu Ende. »Man wird dann selbst so männlich, so forsch und fordernd und … ja, eben wie jemand, der beides sein muss, Frau und Mann zugleich. Verstehst du, was ich meine?«
Johanna hatte sich von der Bank erhoben. Sie legte sich beide Hände ins Kreuz und dehnte ihren schmerzenden Rücken. Wie viel Uhr mochte es jetzt wohl sein? Statt ins Bett zu gehen, hatte sie sich von Elisabeth die gesammelten Wahrheiten an den Kopf werfen lassen. Ausgerechnet von Elisabeth, die sich jahrelang von ihrem Mann hatte verprügeln lassen, um ihr dann einen Vortrag darüber zu halten, dass eine Frau ohne Mann hart würde! Unglaublich! Manchmal fragte sie sich, worauf ihre Freundschaft mit Elisabeth eigentlich gründete. Wahrscheinlich einfach darauf, dass sie sich schon so lange kannten.
Ein mächtiges Gähnen überrollte sie. Morgen war wieder ein anstrengender Tag. Erst das übliche Tagesgeschäft, dann das Abendprogramm. Mit ihr als einziger Erzählerin. Dass Margarethe einen Teil des Programms übernahm, kam nicht infrage. Nicht in einer anständigen Familie wie der ihren! Sie nahm sich vor, in der nächsten ruhigen Minute mit Margarethe über Justus zu reden. Was dachte sie sich nur dabei? Sie machte sich doch wohl keine ernsthaften Hoffnungen, in den ersten Stand einzuheiraten? In den Frankfurter Stadtadel? Was für eine lächerliche Idee! Aber Margarethe war erst fünfzehn, und obwohl sie reifer wirkte, hatte sie wohl doch noch einige Flausen im Kopf. Dabei waren die Regeln der Gesellschaft unerbittlich. Wer wusste das besser als sie, Johanna Berger? Eine Gastwirtstochter aus dem vierten Stand und ein Patrizier! Unmöglich!, dachte Johanna missmutig. Hoffentlich war noch nicht allzu viel zwischen den beiden vorgefallen – nicht dass Margarethe am Ende noch mit einem Kind dasaß! Als ob sie nicht schon genug Scherereien hätten! Und was in Justus’ flatterigem Herzen vor sich ging, das mochte sie sich gar nicht erst ausmalen.
Auch Elisabeth war aufgestanden und sah die Freundin aus ihren großen blauen Augen ernst an.
»Du nimmst mir doch hoffentlich nicht übel, was ich gesagt habe, oder, Hanne? Du weißt, du kannst dich immer auf mich verlassen, egal was passiert. Aber manchmal muss man seine Freunde auch ein bisschen zurechtstutzen, das gehört einfach dazu. Findet Ludwig übrigens auch …«
Johanna runzelte die Stirn. Ging das schon wieder los? Sie wollte ins Bett – keine Elogen mehr ertragen!
»Ja, ja, ich höre ja schon auf!«, kicherte Elisabeth, noch bevor Johanna den Mund aufmachen konnte. »Du gehst jetzt schlafen, würde ich sagen. Ich wische die Schweinerei, die du da angerichtet hast, noch schnell auf, mach dir keine Gedanken deswegen, ja?« Sie ging zum Herd, legte einige Reisigzweige und ein Scheit Holz in den Ofen und griff zum Blasebalg. »Ich koche die Lappen lieber gleich hinterher aus, sonst müssen wir sie wegwerfen«, sagte sie angesichts der Uhrzeit erstaunlich munter. »Ach, übrigens«, fügte sie noch hinzu, als Johanna sich bereits zum Gehen gewandt hatte, »die Lieferung aus Venedig ist heute schon wieder nicht gekommen. Deine neue Freundin Henriette Schley, die ich daraufhin gefragt habe, ob sie uns noch mal mit einem Sack Kaffee aushilft, hat gesagt, sie hätte leider nichts mehr. Außerdem fandest du ihre Bohnen ja sowieso viel zu teuer und zu schlecht. Ich fürchte also, du musst in den sauren Apfel beißen und doch wieder zu Jehuda gehen …«
Eine flackernde Kerze in der Hand, öffnete Johanna die Tür zum Treppenturm. Tiefes Schwarz empfing sie. Und eine erstaunliche Kühle, dafür, dass es den ganzen Tag draußen so heiß gewesen war. Sie dachte über Elisabeths letzte Worte
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