Die Kaffeemeisterin
große Sorge: Sie ersetzte zurzeit gleich zwei wichtige Mitstreiter der Coffeemühle . Und musste sich zudem noch um den Einkauf und die Finanzen kümmern. Da konnte es einem schon mal passieren, dass man mit seinen Kräften am Ende war und etwas unwirsch wurde.
Elisabeth sah sie verletzt an. Sie hatte bereits als kleines Mädchen diese Begabung entwickelt, dreinzuschauen wie ein Rehkitz, das man ganz allein im tiefen Wald ausgesetzt hatte. Johanna hatte schon früher das Gefühl gehabt, dass sie diesen Gesichtsausdruck nach Belieben einsetzen konnte, aber ihren Verdacht nie wirklich erhärten können.
»Was würdest du denn an meiner Stelle machen, wenn der Mann, den du liebst, mit dem Tode ringt? Würdest du dann nicht Tag und Nacht an seinem Bett weilen?«
Elisabeths Stimme zitterte ein wenig, ebenso wie ihr Kinn.
Dass die Freundin jetzt zu weinen anfing oder in ihrer Gekränktheit einen Streit vom Zaun brach, das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen! Vor allem hoffte Johanna, dass Elisabeth nicht wieder damit anfangen würde, wer eigentlich an dem missglückten Ausflug schuld wäre. »Ihr habt alle nichts gemacht! Nur zugeschaut habt ihr!«, hatte sie immer wieder vorwurfsvoll gesagt. Und nur, weil sie Johanna leidtat, hatte diese nicht erwidert: »Aber wer wollte denn unbedingt nach Sachsenhausen? Du oder ich? Einmal ganz davon abgesehen, dass ihr alle viel zu tief ins Glas geguckt habt …« Und davon, dass Elisabeths Behauptung einfach nicht stimmte! Sie und Justus hatten nur einen Augenblick gebraucht, bis sie in der Lage gewesen waren, etwas zu unternehmen – aber sie hatten etwas unternommen! Johanna hatte nur noch nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden, um das Ganze in Ruhe mit der Freundin zu besprechen. Doch irgendwann würden sie das tun müssen, damit diese Anschuldigung nicht zwischen ihnen stehenblieb.
Sie stand auf, um sich ein Küchentuch zu holen und sich die rote Farbe von Gesicht und Hals zu wischen. Sogar ihre Haare hatten etwas abbekommen, stellte sie fest, als sie die verrutschte Haube abnahm und ihre Locken schüttelte. Vorne an der Schläfe waren sie jetzt noch röter als sonst.
»Natürlich würde ich auch am Bett meines Mannes sitzen!«, sagte sie besänftigend und legte Elisabeth die Hand auf die Schulter. »Aber es geht Ludwig doch schon viel besser, oder?«
Elisabeth strahlte. Ein Leuchten ging plötzlich von ihrem Gesicht aus, das von tief innen zu kommen schien.
»Ja, es geht ihm wirklich schon viel besser. Er kann sogar schon wieder aufstehen! Doktor Merseburger meinte, in ein paar Tagen könnte er auch wieder arbeiten. Allerdings …«
Ihre Stimme brach ab.
»Was?«
»Allerdings …« Elisabeth blickte auf. Plötzlich war das Strahlen aus ihrem Gesicht verschwunden. »Allerdings wird er vermutlich keine Kinder mehr zeugen können, hat Doktor Merseburger gesagt. Gottfried, dieses Schwein, hat ihn so zugerichtet, dass er … dass er …«
Johanna verstand. Sie selbst war diejenige gewesen, die Doktor Merseburger vor einer guten Woche zu dem schwer verletzten Kartenmacher in den Wilden Ochsen geführt hatte. Sie hatte sich in einer seltsamen Zwickmühle befunden, als sie mit Justus von Zimmer auf der Brücke gestanden und fassungslos in den Main hinuntergestarrt hatte, in den kurz zuvor Gottfried Hoffmann gestürzt war. »Oh, Gott, was machen wir jetzt?«, hatte sie Justus entsetzt zugerufen, der ihr mit einem Schlag stocknüchtern erschienen war. »Immer mit der Ruhe, Johanna. Ist doch alles im grünen Bereich! Du machst jetzt gar nichts, außer einen Arzt für Ludwig zu suchen. Ich kümmere mich um den hier«, hatte der Neffe des Schultheißen trocken erwidert, mit dem Kinn zum Fluss gedeutet und sie an beiden Schultern in Richtung Judengasse geschoben.
Doch weil das Südtor der Judengasse bereits geschlossen war, hatte sie ihren Plan, Doktor Stern zu holen, aufgeben müssen und sich in ihrer Verzweiflung an einen der Brückenwärter gewandt, der ihr den am Weckmarkt wohnenden Doktor Merseburger genannt hatte. Dieser war ohne lange zu fackeln sofort vom Abendbrottisch aufgestanden und mit ihr gekommen. Auf dem Rückweg nach Sachsenhausen hatte sie im Vorbeieilen sehen können, wie Justus am Mainufer stand und, einem Feldwebel gleich, laute Kommandos an ein paar Fischer abgab, die mit langen Stöcken von ihren Booten aus in der Mitte des Flusses herumstocherten, um nach dem Ertrinkenden zu suchen. »So ein Mist, dass diese Fischer aufgetaucht sind! Womöglich finden
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