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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Lage zugespitzt, denn es gibt einen zweiten Zeugen, der gegen Justus aussagt. Und seine Familie unterstützt ihn immer noch nicht.«
    »Und wer soll der zweite Zeuge sein?«
    »Polizeiadjutant Johann Gerst«, sagte Ortfried von der Lohe wie aus der Pistole geschossen. »Sie kennen ihn bereits, er war auch bei Ihrem Verfahren zugegen.«
    Johanna starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Sie … Sie meinen doch nicht etwa den Kükenflaumigen?«, vergewisserte sie sich entsetzt.
    »Doch, doch«, schmunzelte ihr Gegenüber, »genau den meine ich. Er behauptet, zufällig auf der Brücke gewesen zu sein, als das Unglück geschah. Und er sagt, er hätte Sie auch gesehen. Sie wären wie angestochen weggerannt, nachdem Gottfried Hoffmann in den Main gestürzt war, als wären Sie auf der Flucht vor irgendetwas.«
    Johanna spürte, wie ihr die Beine den Dienst versagten. Heftig atmend ließ sie sich auf den Hocker vor Ludwig Halderslebens Stammtisch fallen. Der Kükenflaumige! Der hatte ihr gerade noch gefehlt! Natürlich, sie hatte ihn ja auch gesehen, im Vorbeilaufen, als sie eigentlich zur Judengasse wollte, um Doktor Stern für den schwer verletzten Kartenmacher zu holen. Fieberhaft dachte sie nach. Warum legte dieser Mann ihr nur ständig Steine in den Weg? Was hatte er davon?
    »Aber was ist mit der Leiche?«, fragte sie endlich. »Hat man die immer noch nicht gefunden?«
    »Leider nicht.« Der Ratsherr schüttelte bedauernd seinen Kopf mit der hohen Stirn. »Wenn wir die Leiche hätten, könnten wir höchstwahrscheinlich beweisen, dass Hoffmann keinerlei Stichverletzungen zugefügt worden sind – zumindest dann, wenn die Leiche durch das tagelange Herumliegen im Wasser nicht zu stark aufgequollen ist. Aber ohne Leiche können wir uns nur auf die Zeugenaussagen verlassen, und da steht es sozusagen zwei zu eins.«
    »Jockel Lauer war viel zu weit weg, um irgendetwas zu erkennen! Abgesehen davon, dass er mindestens genauso stockbesoffen war wie Gottfried Hoffmann und sowieso ein übler Lügner und Scharlatan ist!«
    Johanna hatte sich jetzt wirklich in Rage geredet. Sie kümmerte sich nicht um die beschwichtigenden Gesten Ortfried von der Lohes, doch etwas mehr Diskretion zu wahren. Schon hatten sich an den anderen Tischen die ersten Köpfe von ihrer Zeitungslektüre gehoben und neugierig zu ihnen umgedreht.
    »Mutter, sei bitte nicht so laut!«, zischte nun auch Margarethe. »Du schadest Justus nur! Der Herr möchte uns helfen, verstehst du das nicht?«
    Johanna verstand die Welt nicht mehr. Dass sogar der tote Gottfried Hoffmann ihr und ihren Lieben noch das Leben schwer machen konnte! Wenn Justus jetzt des Mordes angeklagt würde, weil die Zeugenaussagen eines minderbemittelten Schnapsbrenners und eines korrupten Polizisten mehr Gewicht hatten als ihre? Immerhin war sie eine bekannte Persönlichkeit in der Stadt, die mittlerweile auch wieder einen einwandfreien Leumund besaß. Zumindest hoffte sie das. Oder galt ihr Wort deshalb nichts, weil sie eine Frau war? Sie musste mit Philipp Ingen sprechen – genau, das war die Lösung! Er konnte doch sicher etwas für Justus tun! Andererseits, wenn selbst sein Freund, der Ratsherr, offenbar machtlos war, was würde dann Philipp ausrichten können? Justus’ Familie schien es sehr ernst damit zu sein, ihm eine Lektion zu erteilen. Aber wie weit würden sie gehen? Sie würden sich doch hoffentlich im letzten Augenblick hinter ihn stellen und all ihren Einfluss geltend machen. Wie sie das hasste, dass allem nur mit Vetternwirtschaft und Filz beizukommen war!
    Sie sah zu Margarethe, die sich auf die Bank des Nachbartischs gekauert hatte, ein zerknülltes Taschentuch in der Hand, die Augen gerötet. Dann trat Elisabeth auf sie zu. Sie hatte einen leeren Kaffeesack in der Hand und bedeutete ihr mit theatralischem Gesichtsausdruck, dass das kleine Häufchen Bohnen, das vor ihr in der Röstpfanne vor sich hin brutzelte, der letzte Rest Kaffee sei, den sie noch im Hause hätten.
    Johanna stand auf und strich ihren Rock glatt.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte sie zu dem Ratsherrn. »Bitte lassen Sie mich wissen, wie es mit Justus weitergeht! Ich werde alles tun, um ihm zu helfen. Meine Tochter und alle anderen aus der Coffeemühle auch.«
    Sie legte die Hand auf Margarethes Schulter. Ihre Tochter schaute auf. So viel Vertrauen lag in ihrem Blick, dass Johanna fast Angst vor der Verantwortung bekam, die ihr wieder einmal aufgebürdet wurde. Was konnte sie nur tun, um Justus aus dem Gefängnis

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