Die Kaffeemeisterin
sie ihn noch, und dann war alles umsonst. Aber man darf ja wohl hoffen«, hatte er ihr hinterher zugeraunt. Auch den kükenflaumigen Pikett im Gespräch mit dem völlig aufgelöst wirkenden Jockel Lauer hatte Johanna flüchtig gesehen.
»Gottfried, dieses Schwein, hat seine verdiente Strafe bekommen«, sagte sie nun mit fester Stimme zu Elisabeth. »Zumindest ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er ertrunken ist. Das hat sogar der Pikett gesagt. Auch wenn seine Leiche immer noch nicht gefunden wurde.« Sie schüttelte den Kopf, dass die rot gefärbte Haarsträhne an ihrer Wange kleben blieb. »Das Dumme ist nur, dass Justus nicht aus dem Kerker kommt, solange nicht eindeutig bewiesen ist, dass ihn keine Schuld an Gottfrieds Tod trifft. Jockel Lauer hat behauptet, er hätte gesehen, wie Justus Gottfried mit einer Lanze ins Wasser gestoßen hätte. Dabei hat dein Mann einfach nur das Gleichgewicht verloren. Nachdem er mich versucht hat umzubringen mit seiner verfluchten Axt!«
Sie erschauderte bei der Erinnerung an diese Szene. Der Anblick des blitzenden Metalls in der Luft, das mit rasender Geschwindigkeit auf sie zugesaust war, hatte sich ebenso fest in ihr Gedächtnis eingebrannt wie der des hoch aufgerichteten Bären mit seinen speicheltriefenden Lefzen und erhobenen Pranken. Kein Wunder, dass sie ständig davon träumte!
»Aber wenn er nun doch nicht tot ist!«, entgegnete Elisabeth weinerlich. »Ich kenne Gottfried, der hat das bestimmt überlebt und versteckt sich jetzt irgendwo. Er wird warten, bis die Luft rein ist, und dann wiederkommen und uns alle vernichten.«
Johanna winkte ungeduldig ab.
»Ach was! Er ist tot, Elisabeth! Es dauert bestimmt nicht mehr lange, und sie fischen seine Leiche aus dem Main. Irgendwo flussabwärts. Stell dir das mal vor: eine schöne grüne Wasserleiche! Mit aufgedunsenem Gesicht und triefenden langen Haaren. Und Wasserfontänen, die aus allen Löchern quellen.«
Sie kicherte bei der Vorstellung. Auch Elisabeth musste gegen ihren Willen lächeln.
»Und spätestens dann werden sie sehen, dass er vollkommen unverletzt war, als er starb. Oder dass er zumindest keine Wunde hat, die ihm mit einer Lanze zugefügt wurde.« Wieder ergriff die Wut von ihr Besitz. »Dieser widerliche Jockel Lauer! Einfach so herumzulügen! Und mir glaubt natürlich mal wieder keiner, erst recht nicht der Kükenflaumige. Dabei bin ich die einzige richtige Zeugin! Ich stand ja direkt daneben, während Jockel schon fast am anderen Ufer war! Dass überhaupt jemand Jockel Lauer Gehör schenkt, ist nicht zu fassen. Es hat jede Menge Zeugen für den Zwischenfall im Wilden Ochsen gegeben, die alle gesehen haben, dass Gottfried uns angegriffen hat. Da stimmt irgendwas nicht, da geht was nicht mit rechten Dingen zu! Und dass Justus’ Familie ihn so im Stich lässt, das kann ich mir auch nur damit erklären, dass sie wohl die Nase voll von ihm und seinen Marotten haben. Sonst wäre er doch längst wieder raus aus dem Kerker! Was ist schon ein Jockel Lauer gegen einen von Zimmer? Aber die wollen ihm wohl mal zeigen, wo der Hammer hängt.«
Elisabeth schien genug von dem Thema zu haben. Sie zog ihren bunten Mantel über der Brust zusammen und sagte:
»Hat Margarethe dir eigentlich schon Justus’ Manuskript gegeben?«
Johanna schüttelte verwirrt den Kopf.
»Margarethe? Justus’ Manuskript?«
»Ja. Sie war bei ihm im Kerker und wollte ihn besuchen. Schon mehrmals. Natürlich hat man sie nicht zu ihm vorgelassen. Aber heute haben sie ihr immerhin mehrere von ihm beschriebene Blätter mitgegeben. Sie hat sie mir gezeigt: drei neue Geschichten aus Tausendundeine Nacht , die er im Gefängnis übersetzt hat. Und er muss ihr auch einen Zettel geschrieben haben, auf dem stand, dass sie ihn bei der Lesung vertreten soll.« Sie lächelte gutmütig. »Offenbar stand auch noch was anderes drauf, aber das wollte Margarethe mir nicht verraten.«
Johanna glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Was ging denn hier vor? Margarethe besuchte Justus im Gefängnis. Der setzte sie als seine Stellvertreterin in der Coffeemühle ein. Und schrieb ihr Dinge, von denen niemand sonst etwas wissen durfte. Und das Schlimmste daran war: Sie, Johanna Berger, die Mutter des Mädchens und die Verantwortliche für das Lokal, wusste von alledem nichts! Aber nicht etwa, weil man es bewusst vor ihr verheimlichte, sondern weil sie es schlicht nicht mitbekommen hatte. Tiefe Scham überkam sie mit einem Mal. Was hatte sie noch
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