Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
Johannas Orientalischem Abend, oder?«, fragte er jovial an Gabriel gewandt.
    »Ja, genau, da wollte ich hin«, beeilte dieser sich zu entgegnen und schlüpfte unter dem Arm von Meister Volckhardt durch den Türspalt.
    Der Hof der Coffeemühle war gerammelt voll. Gabriel konnte sich nicht erinnern, so viele Menschen bei der Eröffnungsfeier des Damensalons gesehen zu haben. Es war kaum ein Durchkommen, so dicht standen die Leute in den hinteren Reihen. Weiter vorn in Richtung Bühne saßen sie eng aneinandergedrängt auf Stühlen, Bänken oder dicken Kissen, manche hatten sich auch auf die herumstehenden Fässer oder sogar auf den neben dem Schuppen abgestellten Leiterwagen gesetzt. Alle waren sie gekommen – Männer, Frauen, Alte, Junge und sogar kleine Kinder –, und alle schauten sie wie gebannt auf das kleine Podium, auf dem Johanna Berger, eingerahmt von mehreren flackernden Fackeln, auf einem hohen, thronähnlichen Stuhl Platz genommen und offensichtlich gerade mit ihrer Darbietung begonnen hatte.
    Wie schön sie war! Gabriel spürte, wie bei ihrem Anblick sein Herz einen Augenblick aussetzte, bevor es in deutlich schnellerem Tempo erneut zu schlagen begann. Johanna hatte ein helles Tuch um ihre Haare geknotet, das fast mehr von ihrer nur lose zusammengebundenen Lockenpracht sehen ließ, als dass es sie verbarg. Sie trug ein mit Diamanten besticktes Stirnband um den Kopf, an dessen einer Seite ein kleiner Gesichtsschleier herabhing. In demselben cremefarbenen Ton wie das Haartuch war ihr Seidenkleid gehalten, das in der Taille von einem breiten Ledergürtel zusammengerafft wurde. Der bernsteinfarbene Mantel mit den kurzen Ärmeln, den sie über dem Kleid trug, passte gut zu ihren schwarz umrandeten Augen, und in der roten Pumphose fand sich der kupferfarbene Ton ihrer Haare wieder. Ihr Gesicht sausdruck wirkte hochkonzentriert und gleichzeitig so, als befände sie sich in einer anderen Welt, während sie mit klarer Stimme ihre Geschichte zum Besten gab.
    »An jenem Tag hatte der Kücheneunuch den jungen Hüseyin gebeten, den Fisch zuzubereiten, der für die Haremsdamen bestimmt war. Er fühlte sich nicht gut, und allein der Anblick der starren Augen der toten Goldbrassen, die da vor ihm aufgereiht lagen und darauf warteten, zu einem Ragout verarbeitet zu werden, und erst recht der Geruch, der von ihren feucht glänzenden Leibern ausging, ließen Übelkeit in ihm aufsteigen. ›Natürlich‹, erwiderte der Fischer freundlich, ›das tue ich gern für dich. Du weißt, ich liebe es zu kochen – einmal mehr, wenn meine Speisen für eine solch erlesene Gesellschaft bestimmt sind.‹ Der Kücheneunuch warf ihm einen strengen Blick zu, denn er wusste natürlich, an wen Hüseyin bei jenen Worten dachte, aber er war zu schwach, sich weiter um die Angelegenheit zu kümmern, er sehnte sich nur noch nach seinem Lager und einem tiefen, erholsamen Schlaf.«
    Gabriel war es gelungen, sich von den anderen Besuchern unbemerkt an dem Schuppen vorbei bis zu dem großen Leiterwagen vorzukämpfen, auf dem drei junge Männer mit noch fast kindlichen Gesichtszügen saßen. Sie waren so versunken in Johannas Erzählung, dass sie ihm keinerlei Beachtung schenkten. Er verstaute unauffällig seinen Geigenkasten und sein Bündel in einer dunklen Ecke und schwang sich vorsichtig auf das hochrädrige Gefährt. Er setzte sich nicht wie die Burschen auf das Geländer des Wagens, sondern hockte sich leicht versetzt hinter sie, sodass er zwar die ganze Versammlung überschaute, man ihn selbst jedoch von den Sitzreihen aus kaum entdecken konnte. Er wagte es nicht, noch einmal zu Johanna hinüberzusehen, die jetzt nur noch wenige Schritte von ihm entfernt auf ihrem Podest saß, sondern blickte sich um. Viele Gesichter in der Menge unter den bunten Lampions kamen ihm bekannt vor: Er sah die schwarze Bijoutiersgattin in der ersten Reihe neben einem älteren Herrn sitzen, der ihr Ehemann sein musste, den Schuhmacher mit den gottesfürchtigen Aussprüchen, dessen Name ihm entfallen war, und eine äußerst füllige Dame auf einem dicken Sitzkissen, die einen kleinen Schoßhund dicht an ihre Brust gedrückt hielt. Auch sie kam ihm vage bekannt vor. Ihre aufgerissenen Augen zeugten von der tiefen Empfindung, die Johannas Geschichte in ihr hervorrief.
    Gabriel sah zum Eingang der Coffeemühle hin, aus dem immer wieder Johannas Bedienstete mit hoch über ihren Köpfen erhobenen Tabletts eilten, auf denen sich bunte Gläser befanden. Johannas Magd mit

Weitere Kostenlose Bücher