Die Kaffeemeisterin
zurückgeschlagen.
»Die Dienerin trat auf Hüseyin zu. Anders als bei ihren beiden vorherigen Besuchen in seiner Küche hatte sie die Tür fest hinter sich verschlossen. Er spürte, wie ihre Augen über dem Schleier sein Gesicht erforschten. Doch er schaute nicht auf, sondern ließ seinen Blick nun wie gebannt über ihren Körper gleiten. In vollendeten Schwüngen malten sich ihre Brüste und Hüften unter dem leichten Stoff ab, und sie erschien ihm weitaus fülliger als zuvor. Wie konnte das sein?, fragte er sich erstaunt. Wie hatte die Sklavin in so kurzer Zeit jene üppigen Formen entwickeln können? War es denn überhaupt dieselbe Frau? Und was wollte sie mit dem Fernrohr in der Küche? Endlich sah er ihr in die Augen, um etwas zu sagen, als sie ihm die Hand auf die Lippen legte. ›Psst, sag nichts!‹, flüsterte sie in vollendeter türkischer Sprache. ›Mein Name ist Mihrimâh. Ich habe dich beobachtet, von meinem Rosengarten aus …‹ Der junge Fischer verspürte eine Erregung, wie er sie nie zuvor in seinem Leben gekannt hatte. Sie war es, die Frau, nach der er so lange gesucht hatte: Er hatte sie gefunden! Einem plötzlich aufkommenden Fieber gleich bemächtigte sich nun eine brennende Ungeduld seiner. Er wollte Mihrimâh sofort in seine Arme reißen, sie küssen und herzen …«
Johanna schwieg erneut. Wie Mihrimâh schaute sie mit funkelnden Augen über den Rand ihres Schleiers hinweg.
Gabriel blickte sich um. Auch auf die anderen Zuschauer schien die Schilderung der schönen Haremsdame eine ähnliche Wirkung ausgeübt zu haben, überall sah er rote Köpfe, glänzende Augen, erwartungsvoll geöffnete Münder. Einer der Burschen vor ihm flüsterte seinem Nachbarn etwas zu, das er nicht verstand, aber er sah die obszöne Geste, die er machte, und hörte sein dreckiges Lachen. Er verspürte einen Stich von Eifersucht.
»Doch Hüseyin wusste um die Gefahren, die ihnen drohten, sollte man ihn und Mihrimâh erwischen. Ihn, den einfachen Fischer, und sie, die schöne Haremsdame, die allein dem Sultan versprochen war. Er hatte die Warnung des Kücheneunuchen noch im Ohr: ›Denk an die Geschichte von Osman und Seniye!‹ Natürlich wollte er nicht geköpft werden. Und erst recht sollte niemand Mihrimâh auch nur ein Haar krümmen. ›Wo können wir uns treffen?‹, flüsterte er und streckte die Arme aus, um Mihrimâh an sich zu ziehen. Doch die schöne Haremsdame entwand sich seiner Umarmung. ›Nicht hier!‹, flüsterte sie beschwörend.«
Johanna sah auf. Gabriel hatte das Gefühl, von ihrem durchdringenden Blick über dem Schleier bis ins Mark getroffen zu werden. Plötzlich verstand er: Johanna sprach nur zu ihm. Für ihn allein war ihre Erzählung bestimmt, sie war eine Botschaft, ein Versprechen!
Geräuschlos erhob er sich und begann von dem Leiterwagen hinunterzuklettern. Er spürte noch immer Johannas Blick auf sich ruhen, der ihn verfolgte, während er sich durch die Umste henden schlängelte, dem weiteren Fortgang der Geschichte vom Fischer und seiner Geliebten lauschte und auf neue verschlüsselte Anweisungen von ihr wartete. Niemand achtete auf ihn, alle Anwesenden in dem kleinen Hof starrten nach vorne auf das kleine Podium und warteten darauf, dass die Darbietung sich ihrem Höhepunkt näherte.
»›Wo dann?‹, fragte der junge Fischer, der nicht wusste, wie er seine Ungeduld im Zaum halten sollte. ›Erst müssen die anderen dein köstliches Gericht zu essen bekommen – du weißt doch, sie haben Hunger!‹ Mihrimâh lachte leise. ›Außerdem sind sie dann abgelenkt, verstehst du? Sie werden nicht nach uns suchen, sondern sich an den Köstlichkeiten laben, essen und trinken, so viel sie es vermögen. Ich habe ihnen einen wunderbaren weißen Wein zu deinem Fisch ausgesucht. Und danach werden sie schläfrig werden und dösen wollen und sich vielleicht ins Reich der Träume begeben. Wo sie ihrem Prinzen begegnen werden, so wie ich jetzt dir …‹«
Gabriel, der sich inzwischen bis zum Hoftor vorgekämpft hatte, sah, wie Johannas Mägde und ein junges Mädchen, in dem er ihre ältere Tochter wiederzuerkennen glaubte, in der Tür zur Coffeemühle auftauchten. Auf dem Tablett in Margarethes Händen türmten sich verschiedenartige Gebäckstücke, während die beiden Mägde Becher und große Steinkrüge herbeischleppten. Auch Johannas Gäste würden gleich zu essen und zu trinken bekommen, begriff er.
»›Wo werden wir uns sehen? Sag es mir, schöne Mihrimâh, wo?‹, flehte der junge
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