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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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der einen Hand hielt er einen kleinen arabischen Topf mit einem langen Messinggriff, dem ein wunderbarer Kaffeeduft entströmte, in der anderen zwei bunte Gläser. Grüßend nickte er Johanna zu.
    »Ah, Schmuel hat die Bohnen schon für uns zubereitet.«
    Mit wichtiger Miene und zeremoniellem Hin- und Hergeschwenke goss Schmuel seinem Herrn und Johanna den Kaffee ein und verschwand wieder in der Dunkelheit.
    Als der Kaffeesatz auf den Boden des Glases gesunken war, nippte Johanna vorsichtig an dem dampfenden Gebräu.
    »Wirklich ausgezeichnet!«
    Jehuda nahm mit geschlossenen Augen ebenfalls einen Schluck aus dem bunten Glas und setzte sich dann hinter seinen Ladentisch. Er schob die große Waage zur Seite, um Johanna besser sehen zu können.
    In andächtiges Schweigen versunken tranken sie in vorsichtigen Schlucken den ein wenig bitteren, aber umso würzigeren Kaffee.
    »Man braucht nicht mal Zucker bei dieser Qualität«, bemerkte Jehuda mit kindlicher Begeisterung. »Es sind fünfzehn Fässer angekommen«, fügte er nach einem weiteren Schluck hinzu. »Ich musste ein neues Gewölbe bei einem Hufschmied in der Fahrgasse anmieten, um alles lagern zu können.«
    »Eigentlich bin ich gekommen, um meine Schulden bei Ihnen zu bezahlen …«
    Johanna setzte ihr Glas ab und klopfte auf ihre Geldkatze. Sie hatte sie so fest vor ihren Bauchnabel geschnürt, dass sie ihr auf den Magen drückte.
    Bei ihren Worten hatte Jehuda sofort abwehrend die Hände gehoben, als wäre Geld das Letzte, woran er dachte. Als käme es gar nicht infrage, dass Johanna ihre Rechnung bezahlte, auf der so einiges schon seit Monaten offenstand.
    »Aber wir können natürlich auch Nachschub gebrauchen. Und bei dieser Qualität – ja, da werde ich wohl was von nehmen«, erklärte sie lächelnd.
    »Sie müssen unbedingt etwas von dieser Lieferung nehmen! Das mit dem Bezahlen hat Zeit.«
    »Ich will genau sehen, wo ich finanziell stehe, wissen Sie, Jehuda? Ich plane nämlich einen Umbau«, erläuterte Johanna. Obwohl außer ihnen niemand im Laden war, senkte sie die Stimme zu einem Flüstern herab. »Ich stelle den Billardtisch in den vorderen Raum und richte hinten ein Kaffeehaus für Damen ein. Ich habe schon beim Tischler nachgefragt, was das kosten würde. Rosa Wände, kleine Birnbaumtischchen, gemütliche Sessel. So was schwebt mir vor. Und natürlich nur erstklassige Kaffeebohnen!«
    »Eine hervorragende Idee!«
    Man konnte sehen, wie es sofort hinter Jehudas hoher Stirn zu arbeiten begann. Er stellte das Kaffeeglas auf einem Stapel mit rechteckigen Seifen ab und streckte seinen dünnen Körper nach oben, um einen großen Stoffballen aus dem Regal hinter seinem Ladentisch hervorzukramen.
    »Das ist echte Damaszener Seide. Ich gebe sie Ihnen billiger. Baruch hat sie aus Damaskus geschickt. Seit unser Gemeinderat meint, jeden Tag einen neuen Erlass herausbringen zu müssen, wie zurückhaltend die Jüdin sich zu kleiden hat, wird es immer schwieriger, so etwas hier zu verkaufen. Auf der Gasse tragen sie alle nur Schwarz. Nur zu Hause, wenn niemand sie sieht, ziehen sie sich schön an.«
    Er hielt Johanna den Ballen hin und ließ sie über den kühlen Stoff streichen.
    Jehuda haderte mit seinem Schicksal, das ihn in ein enges Haus in einer schmalen Gasse geworfen hatte, geknechtet durch hohe Steuern und tausend Regeln, die die Stadt, der Kaiser, der Gemeinderat oder die Rabbis ihm aufzwangen. Dabei hatte doch seine Familie einst zu den Hoflieferanten des Emirs von Cordoba gezählt, bevor man 1492 Spanien hatte verlassen müssen. Ausgerechnet seinen Zweig der großen Familie hatte es nicht ins für die Geschäfte deutlich besser geeignete London verschlagen oder ins sonnige Alexandria, sondern nach Frankfurt, wo man sich viel mehr abrackern musste, um es zu etwas zu bringen. Und selbst wenn man zu etwas gekommen war, saß man in der engen Gasse fest, weil Juden nur dort wohnen durften. Und die Christen, bei denen er seine Waren lagerte, weil in der Gasse einfach nicht genug Platz war, knöpften ihm unerhörte Mieten dafür ab. Seit Johanna ihn kannte, dachte Jehuda immer wieder daran auszuwandern. Einfach alles dichtzumachen und zu Baruch nach Saloniki zu ziehen, dort, wo sein Sohn Manasse schon in der Lehre war.
    Johannas Finger strichen noch immer über den fein gewebten grünen Stoff mit den silbernen Ranken. Sie stellte sich vor, wie ein Mann mit funkelnden Augen und einem großen Turban in einem gekachelten Innenhof an einem Webstuhl

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