Die Kaffeemeisterin
schwelgerische Stimmung versetzt. Es war ihr unangenehm vor ihr selbst, wenn sie daran dachte, wie sehr sie sich von dem jungen Mann hatte gefangennehmen lassen. Wie ein naives kleines Mädchen, das zum ersten Mal für einen Jüngling schwärmte. Hoffentlich hatte Jehuda nichts gemerkt!
Das Rösten hatten sie schon am Vorabend erledigt, weil es besser war, die gerösteten Bohnen richtig abkühlen zu lassen, bevor sie gemahlen wurden. Sie nahm eine Handvoll Bohnen aus einem Steingefäß und legte sie in die Kaffeemühle. Mochten Anne und Sybilla auch auf die traditionelle Art der Kaffeezerkleinerung schwören, ihrer Meinung nach war die neue Mühle dem Mörser deutlich überlegen. Sie hielt die Mühle im Arm und kurbelte einige Male, während sie von der Vorratskammer zurück zum Herd lief, wo das Wasser zu brodeln begann. Sie öffnete die Schublade der Kaffeemühle, schnupperte an dem frisch gemahlenen Pulver und schüttete es in den Topf. Sie ließ alles einen Moment kochen und sog gierig den sich ausbreitenden Kaffeeduft ein. Dann nahm sie die Topflappen und goss ihren ersten Becher des Tages ein. Der Duft des Kaffees überlagerte all die anderen, vom Vorabend hängen gebliebenen Gerüche, den abgestandenen Tabakrauch und den Qualm vom Holzfeuer, den Dunst nach Essen und vielen Menschen. Den Topf stellte sie zwischen die Herdringe, damit der Kaffee warm blieb. Denn gleich würden die ersten Gäste zum Frühstück herunterkommen.
Mit dem dampfenden Becher in der Hand durchquerte sie die Gaststube. Das Hinterzimmer lag noch in völliger Dunkelheit. Sie stellte den Becher auf ein kleines Tischchen, das man im Dunkeln kaum sehen konnte, von dem sie aber wusste, dass es dort stand, weil sie es selbst am Vorabend erst dort platziert hatte. Es stammte, wie auch die Stühle ihres neuen Damensalons, aus dem Haushalt eines in Konkurs gegangenen Bankiers. Sie hatte das Mobiliar ersteigert, als der Haushalt aufgelöst worden war. Ein stämmiger Mittvierziger, der etwas vulgär klang, hatte noch lange mitgeboten, bevor sie endlich den Zuschlag für das vornehme Kirschbaumtischchen mit den passenden Stühlen erhalten hatte.
Vom Hof her ertönte ein lautes Poltern. Johanna klappte die Läden auf. Eine der Wäscherinnen, eine verhärmte junge Frau, die nur auf einem Auge sehen konnte, rief ihr einen Gruß entgegen, während sie unter Stöhnen und Ächzen einen großen Bottich aus dem Schuppen zog.
Sybilla, den Arm voller Bettlaken, nickte Johanna zu und eilte mit großen Schritten an ihr vorbei zum Herd, nachdem sie die Laken auf einem alten Tisch abgelegt hatte. Von der Treppe her waren Annes trippelnde Schritte zu hören.
Johanna nahm ihren Becher und plumpste zufrieden auf das weiche Sofa, das mit Jehudas schilffarbenem Damast mit den silbernen Ranken bezogen war. Zum Glück hatte der Polsterer sie mit Vorzug behandelt, sodass das Sofa schon nach drei Tagen in seinem neuen Glanz erstrahlt war. Dafür hatte sie Meister Gerhardt ein halbes Jahr kostenlose Getränke in der Coffeemühle versprochen – zusätzlich zu der beträchtlichen Summe, die sie fürs Be ziehen bezahlt hatte. Sie nippte vorsichtig an dem heißen schwar zen Gebräu. Exzellent! Jehuda hatte ihr wirklich allerbeste Ware geliefert, in jeder Hinsicht. Anerkennend strich sie mit der Hand über den feinen Sofastoff.
Zwölf Polsterstühle, vier kleine Tische und das Sofa standen dicht gedrängt in dem ehemaligen Billardzimmer. Das Tischchen vor dem Sofa, auf dessen leicht verkratzter Platte sie ihren Becher abgestellt hatte, war etwas zu hoch, fiel ihr auf. Wenn man so bequem im Sofa saß, war es, als müsste man seinen Kaffeebecher vom Rücken einer jungen Giraffe herunterheben. Aber mit solcherlei kleinen Mängeln musste sie eben leben, der Salon war ja wohl sonst wirklich schön genug.
An der Wand gegenüber hatte sie einige Stiche und kleinere Ölgemälde aufgehängt – aus demselben aufgelösten Haushalt wie die Stühle und das Tischchen. Sie zeigten den Markusplatz und den Dogenpalast in Venedig. Männer, die hinten auf ihren Gondeln standen, einen langen Riemen in beiden Händen, und schillernd gekleidete Männer und Frauen mit Masken vor den Gesichtern. Sie hatte noch anderen Plunder ersteigert, der mit zum Konvolut gehörte. Das Schachspiel mit den Figuren aus Elfenbein hatte sie gleich an Ludwig Haldersleben weiterverkaufen können und dabei noch einen schönen Gewinn eingestrichen. Die vier einarmigen Wandleuchter aus Messing hatte sie an der Wand
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