Die Kaffeemeisterin
zur Gaststube hin anbringen lassen. Von der Decke hing der achtarmige Lüster mit den Delfinen. Und für das große Barometer-Thermometer würde sich auch noch Verwendung finden.
Die Eröffnung ihres Damensalons sollte gleich nach der Zahlwoche stattfinden, wenn die Messegäste wieder abgereist waren. Das würde ein Fest werden! So etwas hatte es in Frankfurt noch nie gegeben! Ach, nicht nur in Frankfurt – mit Sicherheit auch nicht in Wien, Hamburg oder Leipzig. Vielleicht in Venedig, das konnte sein. Aber in den nördlichen Breitengraden war sie mit Sicherheit die Erste, die auf die Idee eines Salons eigens für die Damenwelt gekommen war. Und dabei war es so nahe liegend! Welch einen Gefallen ihr doch der gute Denzel mit seiner zufällig hingeworfenen Bemerkung getan hatte! Johanna lachte in sich hinein. Er würde ihr garantiert bis an ihr Lebensende eine Provision abknöpfen wollen.
Sie war bei ihrem letzten Schluck Kaffee angelangt. Mit all ihren Geschmacksnerven spürte sie nach, wie sich das Aroma in ihrem Mund entfaltete. Wie gut konnte sie sich noch an ihren allerersten Becher Kaffee erinnern! Es war kurz nach ihrer Begegnung mit Adam gewesen. Er hatte sie in Bornheim abgeholt und mit seinem alten Pferdekarren nach Frankfurt gebracht. Ihr Bruder Simon und die beiden kleinen Mädchen waren auch dabei gewesen. Adam und sie hatten kaum Gelegenheit gehabt, ein vertrauliches Wort miteinander zu wechseln, so sehr waren sie die ganze Zeit mit den Kindern oder den störrischen Zugpferden beschäftigt gewesen. Simon hatte keinerlei Anstalten gemacht, Adam bei der Bändigung der Tiere zu helfen – typisch für ihn! Als sie endlich in Frankfurt angekommen waren, hatten sie schon fast wieder zurückfahren müssen, so viel Zeit hatten sie unterwegs vertrödelt. Aber Adam hatte darauf bestanden, dass sie erst sein Kaffeehaus besichtigte, bevor er sie wieder heim brachte. Vom Keller bis zum Speicher hatte er ihr die Coffeemühle gezeigt. Um ihr am Ende der Besichtigung, die sie vollends beeindruckt hatte, persönlich einen Kaffee zu brauen. Die Bohnen waren schon geröstet gewesen, aber er hatte sie eigens für sie in dem großen Mörser zerstampft, während das Wasser auf dem Feuer erhitzt wurde, in das er schließlich das Kaffeepulver hineingerührt hatte. Schluck für Schluck hatte sie das heiße Getränk genossen, auf der Zunge zergehen und die Kehle hinunterrinnen lassen. Adam hatte sie mit Argusaugen beobachtet, während sie diesen ersten Kaffee ihres Lebens trank. Als wollte er sie auf den Prüfstand stellen. Genauso, wie er sie beobachtet hatte, als sie zum ersten Mal mit seinen Kindern in Berührung gekommen war. Nachdem sie ihre Tasse geleert und ihn begeistert angestrahlt hatte, war ein Leuchten über sein Gesicht gegangen. »Hanne«, hatte er nur gesagt und eine Bewegung gemacht, als wollte er sie in seine Arme ziehen. Da hatte sie es schon gewusst, dass sowohl dieser Mann als auch dieses Getränk in ihrem Leben noch eine große Rolle spielen würden.
Johanna schüttelte den Kopf. Wie lange war das schon her! Und doch war die Erinnerung an diesen Tag noch so nah. Der Beginn einer großen Leidenschaft, konnte man sagen. Allerdings wohl mehr für den Kaffee als für den Mann, wenn sie ganz ehrlich war. Sie hatte Adam geliebt, aber brennende Leidenschaft hatte sie keine für ihn empfunden, eher Freundschaft und tiefes Vertrauen. Leidenschaft war, wenn man sich nach jemandem oder nach etwas verzehrte. Das hatte ihr Ludwig Haldersleben einmal erklärt, als er ihr von einem galanten Roman erzählte, den er gelesen hatte. Welchen, hatte sie vergessen. Vielleicht war es aber auch gar kein Buch gewesen, von dem er gesprochen hatte, sondern eine Erfahrung aus dem eigenen Leben. Der Kartenmacher hatte so rote Ohren unter seiner struppigen Perücke gehabt, dass sie fast geneigt war zu glauben, er habe jene Passion, von der er ihr ebenso begeistert wie beredt vorgeschwärmt hatte, in jungen Jahren selbst erlebt. Auch Elisabeth hatte einmal eine Andeutung in diese Richtung gemacht, kurz nach ihrer Eheschließung mit Gottfried Hoffmann. Sie hatte von »Schmelzen« und »Hingabe« gesprochen und einen eigentümlichen Glanz in den Augen gehabt. Sie selbst, Johanna, die damals noch nicht verheiratet gewesen war, hatte sich gefragt, was der Apfelweinwirt um Himmels willen mit Elisabeth angestellt haben mochte, dass sie so fasziniert von ihm war. Sicher hatte er damals noch viel besser ausgesehen als heute, da seine Züge
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