Die Kaffeemeisterin
versammelt waren und von der unaufhörlich knicksenden Anne zierliche Meissner Tassen, gefüllt mit duftendem Kaffee, entgegengenommen hatten, rief Johanna mit lauter Stimme in die schnatternde Runde hinein:
»Willkommen in meiner ›Gudd Stubb‹, werte Damen, liebe Nachbarinnen! Heute wollen wir uns endlich einmal genauso amüsieren, wie es sonst nur den Herren der Schöpfung gestattet ist. Aber Sie alle schuften ja auch den lieben langen Tag hart, da steht es Ihnen nicht minder zu, sich in einem gemütlichen Umfeld, ganz unter Ihresgleichen ein wenig zu erholen. Natürlich spricht auch nichts dagegen, in diesem Salon Geschäfte anzubahnen, wie die Männer das nebenan ja ebenfalls tun …« Sie wandte kurz das Gesicht in Richtung Gaststube. »Ich will aber gar nicht lange reden. Mein Musiker, Gabriele Stella, den Sie hier mit der Geige sehen, ist extra aus Venedig angereist, um uns heute mit seiner erlesenen Kunst zu unterhalten. Er hat beim großen Antonio Vivaldi studiert und wird uns einige Stücke des Meisters und ein paar eigene Kompositionen vorspielen. Es war gar nicht so leicht, ihn zu verpflichten«, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, »bis zum letzten Augenblick haben wir den Atem angehalten, ob er es wirklich schaffen würde, heute hier bei uns zu sein. Eine Zeit lang dachte ich sogar, wir müssten an seiner statt mit einem einfachen Zauberkünstler vorliebnehmen. Aber nun ist der Maestro hier und wird für kultivierte Unterhaltung sorgen – das versichere ich Ihnen, meine Damen! Lassen Sie uns dem Künstler applaudieren!«
Nachdem der freundliche Applaus der Damen verebbt war, fuhr Johanna mit glühenden Wangen fort:
»Die Hauptrolle aber in unserem neuen Salon nimmt natürlich der Kaffee ein! Sie werden hier heute einen ausgezeichneten Mokka zu kosten bekommen. Eine ganz frische Ernte. Auf Kamelrücken durch die Wüsten Arabiens transportiert und auf einem Schiff mit der Flagge der Serenissima ist diese Ladung zu uns gekommen.« Sie hob eine kleine Meissner Schale in die Höhe. »Ich möchte mit Ihnen ein Hoch auf das wundervollste Getränk der Welt aussprechen!«
Vorsichtig setzte sie ihre Schale an die Lippen und nahm einen ersten Schluck von dem schwarzen Gebräu. Einige der Damen stießen laut klirrend mit ihren Tassen an, pusteten auf den dampfenden Kaffee und taten es Johanna nach.
»Und Ursel Volckhardt …«
Bei Johannas Worten setzte die grobknochige Frau neben der Tür mit den braunen Haaren und der Brille, die nur einen Bügel hatte, umständlich ihre Tasse wieder auf die Untertasse und riss ihren rechten Arm hoch. Gabriel wusste, dass sie aus Erfurt stammte und die Frau des Bendermeisters war, der gerade zum Garküchenplatz gezogen war. Das stille junge Mädchen neben ihr mit den etwas stumpfen Gesichtszügen, das an einem Taschentuch stickte, musste ihre Tochter Marianne sein.
»… wird alle, die sich dafür interessieren, in die Welt des Backgammon einweihen. Frau Volckhardt ist eine passionierte Backgammon-Spielerin.«
»Und eine gewiefte dazu. Versuche doch mal eine von Ihnen gegen mich zu gewinnen, meine Damen!«, tönte die Bendersgattin durch den Raum.
Geschickt klappte sie ein Backgammon-Brett auf, das kaum auf Johannas »Giraffentischchen« passte, so groß war es. Helfende Hände begannen von allen Seiten die Tassen wegzuräumen.
Gabriel nahm das als Signal, um unter dem Applaus der Frauen eine Sonate von Vivaldi auf der Geige anzustimmen.
»Was spielen Sie denn da?«
Wahrscheinlich handelte es sich bei der Dunkelhaarigen mit dem fränkischen Akzent um Hedwig Erlenbach, vermutete Gabriel, die mit ihrem Mann eine der größten Holzhandlungen der Stadt betrieb. Ohne auf seine Antwort zu warten, stellte sie ihre Tasse ab, trat auf ihn zu und klopfte mit ihrer weiß behandschuhten Hand leicht gegen sein Instrument.
»Was ist das für ein Holz?«
Gabriel zuckte mit den Achseln und gab ihr mit einer entschuldigenden Grimasse zu verstehen, dass er sie nicht verstanden hatte. Die Holzhändlerin versuchte es noch einmal, doch als er wieder nur in stockenden Worten darauf verwies, dass er des Deutschen kaum mächtig sei, nickte sie nur und wandte sich wieder von ihm ab.
Johanna schien ihm eine perfekte Gastgeberin zu sein. Mal hier, mal dort ließ sie sich nieder und stellte die Damen, die sich noch nicht kannten, einander vor. Sybilla kam herein, in der einen Hand einen Teller mit bunten Pralinés, die Justine Maurer, die Frau des Zuckerbäckers mitgebracht
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