Die Kaffeemeisterin
seinesgleichen zu sein! Die Angst vor der Entdeckung hatte er weder sich selbst noch seinen Eltern länger zumuten wollen.
Johanna holte noch einmal tief Luft.
»Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden um etwas gebeten. So etwas war mir immer vollkommen fremd. Doch jetzt muss es einfach sein, es ist meine letzte Chance.«
Sie blickte ihn aus ihren großen kastanienfarbenen Augen an. Ihr eines Lid zitterte kaum merklich.
»Bitte!«, sagte sie leise. »Bitte, tun Sie das – für mich.«
8. KAPITEL
D ie beiden violetten Fliederbüsche im Hof begannen gena u am Tag der Saloneröffnung zu blühen, als hätten sie darauf gewartet, das Fest mit ihrem frühlingshaften Duft zu parfümieren.
Erwartungsvoll saß Cornelia Haldersleben mit Margarethe und Lili auf einer Sitztruhe unter den venezianischen Veduten. Die im Sonntagsstaat gekleideten Mädchen schlugen mit den Füßen gegen die Truhe. Gebannt blickten sie auf eine Karte von Amsterdam. Mit dem Finger zeigte Margarethe auf die Keizersgracht und fragte:
»Warum sind da so viele Flüsse?«
»Das sind Grachten! Die Holländer haben diese Wassergräben angelegt. Sie sind praktisch und wunderschön.«
Cornelia Haldersleben war noch nie in Amsterdam gewesen, sie kannte alle Städte nur von den Karten ihres Bruders, hätte sich aber überall mühelos zurechtgefunden.
»Warum machen sie ihre Flüsse selbst?«, fragte Lili, die auf ihrem Zopf kaute.
»Nicht, Lili!«
Johanna betrat mit einem Tablett in der Hand den Damensalon und stellte ein Kakaokännchen und drei Schalen auf einen niedrigen Hocker vor den Mädchen. Widerwillig nahm Lili den Zopf aus dem Mund. Die Schwester des Kartenmachers nickte dankend und begann einzuschenken.
Johanna versuchte sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Endlich war der große Tag gekommen! Es hing so viel ab von den nächsten Stunden, hoffentlich würde alles gut gehen! Sie hatte nach einigem Hin und Her einen grauen Rock und dazu eine Jacke in derselben Farbe als Kleidungsstücke gewählt. Statt ihrer üblichen Haube hatte sie ein gemustertes Seidentuch um die hochgesteckten Haare geschlungen, dessen eines Ende wie ein kleiner Schleier um ihren Kopf wehte. Eine farblich auf ihr Haar abgestimmte Bernsteinkette blitzte ab und zu unter dem Spitzenfichu hervor, das ihr Dekolleté verdeckte.
»Da sind ja schon die Ersten!«, rief Margarethe aus, als sich der Raum verdunkelte, weil Madeleine van den Velden, die Frau eines Metallhändlers, und die dicke Else Niederhof im Türrahmen standen. Letztere war mit einem Geldwechsler vom Liebfrauenberg verheiratet, der seine Geschäfte zur Messezeit von der Coffeemühle aus betrieb. Tagaus, tagein saß er dann vor Stapeln mit Louisdors, Dukaten, Carolinen und unterschiedlichen Talern und bediente seine Kunden.
»Nein, nein, lass nur, Liebes!«, sagte Else Niederhof zu Anne, die herbeigeeilt war, um ihr den Umhang mit dem Fuchsschwanz abzunehmen. »Es ist ja ein wenig frisch hier drinnen, besonders wenn die Tür aufgeht. Ich behalte den Mantel einfach an.«
Die dicke Frau ließ sich schwerfällig in die Mitte des Sofas fallen, das unter ihrem Gewicht einsackte und einen quietschenden Ton von sich gab.
»Hübsch haben Sie es hier!«, bemerkte Madeleine van den Velden, die stehen geblieben war und sich anerkennend im Raum umsah.
In dem Moment ging die Tür erneut auf. Auch diese beiden Neuankömmlinge erkannte Gabriel, der in einer Ecke unter einer mächtigen Allongeperücke schwitzend auf seinen Auftritt wartete, sofort. Noch am Vortag hatte ihm Johanna alle Eingeladenen akribisch beschrieben, um allen Eventualitäten vorzubeugen. Die schwarze Frau musste Christine Haberkorn sein. Ihr Vater war ein westafrikanischer Kapitän, der in Hamburg eine Reederstochter verführt hatte, bevor er auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Diesen Tratsch hatte Johanna von der Gewürzhändlerin erfahren, als sie noch miteinander geredet hatten, und ihn leicht verschämt an Gabriel weitergereicht. Christine war mit einem Bijoutier vom Hühnermarkt verheiratet und hatte ihre Schwägerin Charlotte mitgebracht – eine sauertöpfisch dreinblickende Blondine, die Johanna als Dankeschön für die Einladung einen großen Blumenstrauß überreichte. Ihr Mann war Schreiber beim Jüngeren Bürgermeister, und als Beamtengattin schien sie sich den anderen Damen gegenüber als etwas Besseres zu fühlen, war sie doch die Einzige in der Runde, die nicht in einem Laden zu stehen pflegte.
Als etwa fünfzehn Damen
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