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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Wirtin! Das scheint ja richtig gut gelaufen zu sein! Welch ein Triumph! Täterätä!«
    Er warf Gabriel, der mit hängenden Armen vor Johanna stehen geblieben war, einen verwunderten Blick zu.
    »Wir brauchen die Wirtin hier drüben!«, grölte er und zog die nervös kichernde Johanna mit sich in die Gaststube.
    In all den Jahren hatte sie die Coffeemühle noch nie so voll erlebt, schon gar nicht um diese Uhrzeit – immerhin ging die Sonne bald unter. Alle, wirklich alle waren gekommen!
    Ludwig Haldersleben rückte einen Stuhl vor den langen Tisch und half der Bergerin galant, diesen zu besteigen. Der Kartenmacher trug zur Feier des Tages eine komplette kaiserliche Galauniform mit allen Orden, die er hatte auftreiben können, dazu seine gute Perücke. Sie war eigentlich für die Kirche reserviert und wurde entsprechend selten angezogen.
    Mit wippenden Röcken stand Johanna nun mitten auf dem Tisch, während Gabriel auf Justus von Zimmers Einsatz hin vom Damensalon aus einen Tusch auf dem Spinett intonierte.
    »Meine Damen und Herren«, konnte sie endlich ausholen, »ich möchte Sie ganz herzlich zu diesem festlichen Ereignis in der Coffeemühle begrüßen! Einige von Ihnen sind ja schon länger mit mir am Feiern« – sie winkte zu den Damen hinüber, die sich in einem dichten Grüppchen in der Tür zwischen Salon und Hauptraum drängten, um ihren Worten zu lauschen – »und für alle anderen: Gerade eben haben wir Frankfurts ersten Kaffee salon für Damen eingeweiht. Endlich können auch die Frankfurte rinnen eine gute Tasse Kaffee in netten Räumlichkeiten genießen und dabei doch ganz unter sich sein. Dieses Ereignis möchten wir nun mit Ihnen allen feiern. Dass es dazu gekommen ist, verdanke ich Ihnen, meinen verehrten treuen Gästen, meinen lieben Nachbarn und natürlich meiner wunderbaren Familie. Ohne Anne, Sybilla, Schosch, unseren Koch Hannes, meine beiden Mädchen Margarethe und Lili und nicht zuletzt ihren guten Vater und meinen lieben Mann Adam, Gott habe ihn selig, gäbe es weder dieses Fest hier heute noch die Coffeemühle überhaupt.«
    Sie hob den Becher Riesling, den der Kartenmacher von einem der Tabletts heruntergenommen hatte, mit denen die Mägde und Schosch die Runde machten, um ihn ihr nach oben auf das improvisierte Rednerpult zu reichen.
    »Lassen Sie uns anstoßen, meine Damen und Herren!«, fuhr Johanna in feierlichem Tonfall fort. »Auf Sie, auf uns, auf den neuen Damensalon und auf die Coffeemühl e !«
    Schon wollten die ersten Gäste der Rednerin und ihren Mitstreitern applaudieren, als plötzlich ein einzelner, warmer, unendlich lang gezogener Geigenton sie innehalten ließ. Kein Mucks war mehr in der Gaststube zu hören, während aus dem einzelnen, in seiner Lautstärke stetig anwachsenden Ton allmählich ganz viele Töne wurden, die sich in ihrem Tempo immer mehr steigerten, mal zu hüpfen schienen, dann wieder in einer Art Wiegeschritt hintereinander wegglitten, wie auf Kufen über glattem Eis, schmeichlerisch, sanft, um plötzlich in unzähligen Pirouetten durcheinanderzuwirbeln und schließlich in einem Finale zu verlöschen, das so süß und cremig war wie eines der bunten Pralinés vom Zuckerbäcker. Wie eine Katze auf leisen Sohlen war Gabriel Stern von allen unbemerkt aus dem Damensalon in die Gaststube hinübergewechselt, um dann während seines Geigenspiels um den Tisch herumzutänzeln, auf dem Johanna noch immer wie angewurzelt stand. Nun verbeugte er sich in einem formvollendeten Diener vor ihr, der Königin des Abends, und reichte ihr die Hand, damit sie von ihrem Thron herabsteigen konnte.
    Applaus brandete auf. »Bravo!«, »Zugabe!«, tönten die ersten Rufer, und dann hoben auch die beiden anderen Musiker, Gabri els Freunde Hans und Hetti Lenz, die mittlerweile eingetroffen waren, ihre Instrumente und stimmten eine heitere Tanzweise an. Schnell hatten sich ein paar kräftige Hände gefunden, die Tische und Stühle zur Seite zu räumen, um Platz für die Tanzlustigen zu machen, die sich bereits in Paaren zusammengefunden hatten.
    Hans Lenz mit seiner Flöte war eine eher unauffällige Gestalt, doch umso schriller war seine Frau Hetti an der Gitarre. Ihr Rock war viel zu kurz, wie Johanna fand; er endete irgendwo zwischen Knie und Wade und ließ wohlgeformte Beine sehen. Sie hatte kleine Schellen an beiden Knöcheln befestigt, mit denen sie im Takt rasselte. Die Jacke war so eng, dass die Schlaufen über ihrer Brust aufzureißen drohten, sobald sie die Arme bewegte,

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