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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Sofort spritzte Blut aus der Wunde. Sie presste den rasch zusammengeknäuelten Lumpen, der einmal sein Hemd gewesen war, auf den Stich.
    »Halt deine Hand darauf, Gabriel! Ich werde dir jetzt den Verband anlegen.«
    Sanft half sie dem stöhnenden Geiger, sich so weit aufzurichten, dass er mit dem Rücken gegen die Platte eines umgekippten Tischs lehnen konnte. Dann wickelte sie stramm die lange Stoffbahn aus ihrem Unterkleid mehrmals um seine Brust und verknotete sorgfältig die Enden.
    Erschöpft blickte sie auf. Mit einem schwachen Lächeln schaute der Geiger sie an. Seine Nase ragte bleich und spitz aus seinem Gesicht.
    »Johanna«, murmelte er wieder und legte eine Hand an ihre Wange. »Du bist unglaublich, weißt du das? Behauptest, noch nie in deinem Leben so etwas gemacht zu haben – und bist doch die beste Pflegerin der Welt.«
    Johanna merkte nicht mehr, was um sie herum vorging. Sie sah weder, wie ihr phlegmatischer Neffe Schosch über sich hinauswuchs und Gottfried Hoffmann im Sturzflug den Kopf in die Magengrube rammte, sodass dieser wie ein Klappmesser in der Mitte zusammensackte. Noch verfolgte sie, wie Justus von Zimmer zusammen mit dem Bendermeister unter lautem Kampfgeschrei und dem Einsatz schwerer Kochtöpfe drei weitere Spießgesellen des Apfelweinwirts unschädlich machte. Sie hörte auch nicht die Schüsse, die im Hof ertönten und die Weinfässer durchschlugen, sodass sich die rote Flüssigkeit in kleinen Wasserfällen auf das Pflaster ergoss. Ihre Nase registrierte den Brandgeruch nicht, der von dem vor sich hin kokelnden Billardtisch, dem längst verkohlten Spanferkel oder sonst woher rührte. Sie fühlte nur, wie Gabriels Hand ihre Wange hinabfuhr, über ihre aufgelösten Haare strich und sich in ihrem Nacken vergrub. Mit sanftem Druck zog er ihren Kopf näher zu sich heran. Ganz langsam bewegten sich ihre Münder aufeinander zu, um in einem langen Kuss miteinander zu verschmelzen.
    Ein schriller Pfiff riss sie aus ihrem Rausch.
    »Aufhören, sofort aufhören!«, schrie eine hohe Männerstimme, die Johanna seltsam bekannt vorkam.
    Sofort löste sie sich von Gabriel und sprang auf. Sie sah Hetti, die Gitarristin, die gleich auf den am Boden Liegenden zustürzte, während Hans, ihr Flötistenmann, den Rumpf von Gabriels zersplitterter Geige in der Hand hielt und Johanna mit einem tieftraurigen Blick bedachte. Sie sah Ludwig Haldersleben, der seinen Kopf zur Tür hineinsteckte und ihr etwas zurief, das sie nicht verstand. Und sie sah Gottfried Hoffmann, der sich laut grunzend auf alle viere stemmte, sich langsam zu seiner vollen Größe aufrichtete und auf sie zuwankte.
    »Das war erst der Anfang, Johanna Berger!«, fauchte er drohend. Speichel triefte von seinem aufgeschlagenen Kinn. »Das nächste Mal machen wir Ernst. Dann wird nicht nur dein Fiedler hier bluten« – er hob den Arm und zeigte mit dem Daumen auf Gabriel –, »dann blutest endlich auch du!«
    Aus seinen Augenschlitzen starrte er sie an, als wollte er noch etwas hinzufügen. Johanna konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er hatte schon den Mund geöffnet, als Jockel Lauer in sein Blickfeld kam. Sich an der Wand abstützend schleppte sich der Schnapsbrenner auf ihn zu. Sein linkes Ohr hing seltsam lose von seinem Kopf, als wäre es halb abgerissen, und sein eines Auge war vollkommen zugeschwollen.
    »Lass uns abhauen, Gottfried, die Bullen sind da!«, stieß er wimmernd hervor.
    Gottfried Hoffmann zog wortlos seinen Kumpanen auf die Beine und warf ihn sich wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter. Schon halb zur Tür hinaus, drehte er sich noch einmal um und maß Johanna mit einem Blick, als würde er ihr am liebsten die Hände um den Hals legen und fest zudrücken. Er öffnete den Mund und spuckte ihr in hohem Bogen zwei blutige Zähne vor die Füße. Dann tippte er sich an die Stirn und sagte:
    »Man sieht sich, Bergerin!«
    Johanna hatte sich kaum von ihrem Schock erholt, als es Ludwig Haldersleben endlich gelungen war, sich zu ihr vorzukämpfen. Er war ganz außer Atem.
    »Elisabeth Hoffmann ist in Sicherheit, Cornelia kümmert sich um sie, wir haben sie vorläufig bei uns untergebracht«, informierte er sie keuchend. »Aber die Polizei ist schon in der Stube vorne. Ihr italienischer Freund muss sofort weg von hier, Johanna! Ich nehme an, wenn die Piketts ihn in der Coffeemühle erwischen, gibt es Ärger, oder?«
    Der Kartenmacher blickte sie bedeutungsvoll an. Er weiß es, dachte Johanna, aber sie war zu

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