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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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in der Bibel. Sie werden sich doch nicht von so etwas unterkriegen lassen! Sie nicht, meine Liebe – das verspreche ich Ihnen!«

Zweiter Teil
    UNTERWEGS

11. KAPITEL
    V e nezia, la bella Venezia! Johanna hatte beide Unterarme aufdie Fensterbrüstung der schwarz lackierten Gondel gestützt und sich weit aus der Kabine hinausgelehnt. Sie wollte den Anblick der atemberaubenden Kulisse, die sich in der Maisonne vor ihren Augen auftat, in vollen Zügen genießen. Zum ersten Mal seit ihrer Abreise aus Frankfurt verspürte sie so etwas wie Glück. Oder zumindest Erleichterung. Erleichterung darüber, dass die beschwerliche Reise von Frankfurt über München, die Alpen und Tirol nun beinahe hinter ihr lag, ja, dass ein neues Leben für sie beginnen würde, fernab all der Dinge, die sie dazu bewogen hatten, Frankfurt fluchtartig den Rücken zu kehren.
    Wenn nur nicht ihre Angst vor dem Wasser wäre! Jeden Moment konnte die Gondel einfach umkippen, befürchtete sie. Da sie niemals schwimmen gelernt hatte, würde das ihren Tod bedeuten. Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, in die Inselstadt zu gelangen, hätte sie die sicher genutzt. Während der Schifffahrt von Fusina aus durch die kanalisierte Brenta mit ihren üppig wuchernden Ufergärten und Lusthäusern bis hin zur Mündung in die Lagune hatte sich heftige Beklemmung in ihr breitgemacht. »Stell dich nicht so an«, hatte sie sich selbst gesagt, »andere schaffen das auch, und gleich hast du es sowieso hinter dich gebracht. Genieß einfach die Aussicht!« Besonders hatte sie sich vor den fünf Meilen Gondelfahrt auf dem offenen Gewässer bis nach Venedig hinein gefürchtet. Doch nun hatten sie schon die Isola di Santa Chiara erreicht, von der aus sich der Canal Grande in schlangenförmigen Windungen bis zur Piazza San Marco zog.
    Der Markusplatz war ihr Ziel, dort befand sich das Caffè Florian , das Floriano Francesconi gehörte. Er war ihre letzte Rettung – jetzt, da sie vor dem absoluten Nichts stand. Sie hatte die Stimme des kükenflaumigen Polizeiadjutanten mit dem schicken neuen Dreispitz noch im Ohr: »Ich muss Sie darüber informieren, dass Sie soeben die Gerechtigkeit, das Kaffeehaus Coffeemühle am Alten Markt in Frankfurt am Main zu führen, verloren haben.« Wie selbstgefällig er geklungen hatte! Als wäre es ihm eine persönliche Genugtuung gewesen, endlich ihrem liederlichen Treiben ein Ende zu bereiten, die Stätte der Hurerei und des Aufruhrs einfach dichtzumachen. Johanna verzog in einer Mischung aus Geringschätzung und Verzweiflung den Mund. Aber selbst wenn sie ihre Lizenz hätte behalten können: Sie hatte ja gar keinen Ort mehr, an dem sie ihren Beruf ausüben konnte. Das Haus am Markt stand zwar noch an seinem alten Platz – so weit, es abzufackeln, war Gottfried Hoffmann dann doch nicht gegangen, noch nicht! –, doch das gesamte Inventar der Coffeemühle lag in Schutt und Asche. Kaum ein Möbelstück war von den Schergen des Apfelweinwirts verschont geblieben, ganz zu schweigen von ihrem kostbaren Porzellan und all den Küchengeräten, die sie hemmunglos zerdeppert hatten. Das trostlose Bild, das ihr einst so wunderschönes Kaffeehaus abgegeben hatte, nachdem die Polizei die Randalierer vertrieben und auch die letzten treuen Stammgäste das Schlachtfeld geräumt hatten, würde sie wohl nie mehr vergessen. Sie war nur noch nach oben in ihr Zimmer gewankt und hatte sich in den Schlaf geweint. Am nächsten Morgen hatte ihr Entschluss festgestanden: Sie würde die Mädchen in die Obhut ihrer Familie nach Bornheim geben, Elisabeth gleich mit, die sich immer gut mit den Ihren verstanden hatte, und Frankfurt so schnell wie möglich verlassen. In dieser Stadt hatte sie nichts mehr verloren – vorerst wenigstens. Mal davon abgesehen, dass sie dringend Geld brauchte, wollte sie sich jemals eine neue Existenz als Kaffeehauswirtin aufbauen, in Frankfurt oder anderswo. Also war ihr nur die Flucht geblieben, nach Venedig, wohin sonst – so wie Adam es ihr noch auf dem Sterbebett geraten hatte: »Und wenn du mal gar nicht weiterweißt, wende dich an meinen Freund Floriano Francesconi, den Besitzer des ersten Kaffeehauses von Venedig.«
    Je näher die Stadt mit ihren prachtvollen Fassaden, den schlanken Glockentürmen und glänzenden Kuppeldächern heranrückte, desto leichter wurde es Johanna ums Herz. Sie war, sich vorsichtig an der Reling abstützend, in den vorderen Teil der Gondel geklettert, wo sie sich aufatmend auf dem hölzernen Sitz

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