Die Kaffeemeisterin
mit Gewürzen zu handeln!«, hatte die Schley Johanna angegiftet. Auf deren Schulterzucken hin war sie in eine Schimpftirade gegen die jüdische Konkurrenz ausgebrochen. Nun stand sie dürr wie eine Bohnenstange am Fenster und zeigte triumphierend mit dem Finger auf die Kaffeehauswirtin. Nichts bereitete dieser engstirnigen Frau so viel Vergnügen wie das Missgeschick anderer Leute.
»Ich habe immer schon gewusst, dass es mal so weit mit dir kommen würde, Johanna Berger!«, keifte die schrille Stimme von oben. »Wir wissen doch alle, wie ihr Bornheimer seid: Ihr könnt es einfach nicht lassen mit eurer Hurerei und Prügelei! Kaum habt ihr es aus eurem verlotterten Dorf in die Stadt geschafft, verbreitet ihr auch schon eure liederlichen Sitten unter uns ehrlichen Leuten!«
Johanna hörte ihre Worte kaum. Sie beachtete auch die vielen Schaulustigen nicht, die vor der Coffeemühle standen. Wie gelähmt starrte sie auf ihr Haus.
»Die sind einfach über uns hergefallen«, sagte die Bendersgattin Ursula Volckhardt zu ihr, die mit ihrer Tochter Schutz im Laden der Halderslebens gesucht hatte und sich nun zu ihr auf die Gasse wagte. »Unerhört ist das!«
Die Röcke gerafft, rannte Johanna auf den Eingang ihres Kaffeehauses zu. Gerade noch konnte sie sich ducken, als einer der Stühle aus dem Damensalon durch die zertrümmerte Frontscheibe auf sie zugeflogen kam und krachend auf dem Pflaster vor der geistesgegenwärtig zur Seite springenden Bendersgattin landete.
»Haldersleben ist zur Polizei gerannt!«, rief sie ihr noch hinterher, doch Johanna war schon im Inneren des Lokals verschwunden.
»Lieber Gott, lass Lili und Gretel in Sicherheit sein!«, betete sie laut, als sie über die Trümmer im Eingang der Gaststube stieg.
Rauch quoll ihr entgegen. Der Herd hatte sich in ein Lagerfeuer verwandelt. Hell loderten die Flammen aus den Öffnungen über die gesamte Herdplatte. Die Ringe, auf die sie so stolz war, fehlten. Ein Mann, den sie noch nie gesehen hatte, leerte voller Inbrunst eine große Dose Kaffeebohnen in die Flammen. Ein zweiter Fremder warf grölend ein abgebrochenes Stuhlbein und einen Satz Kochlöffel hinterher. In der anderen Hand hielt er Ludwig Halderslebens Schachfiguren aus Elfenbein, die er offenbar ebenfalls den Flammen zum Fraß vorwerfen wollte.
Johannas erster Impuls war, den Mann mit einer lautstarken Schimpftirade zur Räson zu bringen, doch dann schwenkte ihre Aufmerksamkeit zu einem zuckenden Körper, der sich in einer Blutlache am Boden wand.
O Gott!
Johanna wollte schon auf den Verletzten zustürzen, glück licherweise jemand, den sie ebenfalls nicht kannte, als sie sah, dass er beileibe nicht der Einzige war, den man so zugerichtet hatte. Inmitten der in ihre Einzelteile zerlegten Einrichtung lagen mehrere blutende und stöhnende Männer am Boden. Einige schienen sich gar nicht mehr zu regen. Schuhmacher Denzel hockte auf allen vieren unter der letzten aufrecht stehenden Bank und kotzte sich die Seele aus dem Leib. Auf dem einzigen Tisch, der noch heil geblieben war, stand ein Riese mit einem Bulldoggengesicht und fegte mit einem Besen johlend die Fayence- und Zinnkannen von dem Balken über den Fenstern. Klirrend und scheppernd fielen sie zu Boden. Sie stammten noch von Adams Vater, und obwohl es eine Heidenarbeit war, sie abzustauben, weil man dazu mindestens fünfmal die Leiter hinauf- und hinunterklettern musste, hatte Johanna sie dort stehen lassen.
Die Eindringlinge waren eindeutig in der Überzahl, stellte sie fest, und die meisten ihrer Gäste schienen rechtzeitig das Weite gesucht zu haben.
Knietief watete sie durch das Schlachtfeld aus zertrümmertem Porzellan, Essensresten, zerrissenen und zerknüllten Kleidungsstücken, Küchengeräten, Perücken und Hüten. Immer wieder trat sie in Lachen, die aus umgeschütteten Getränken oder anderen unappetitlichen Flüssigkeiten bestanden.
Irgendjemand hatte sich einen Spaß daraus gemacht, die neben dem Herd gestapelten Holzscheite überall im Raum zu verteilen und das Reisig, das sie zum Anfeuern benutzten, darüberzustreuen.
Neben dem umgekippten Küchenschrank, dessen gesamter Inhalt zerdeppert auf dem Boden lag, standen Anne und Sybilla vor der Tür zum Treppenturm. Sybilla hielt ein großes Schlachtermesser in beiden Händen, als wäre es ein Schwert. Mit dem Gesichtsausdruck eines Kriegers, der nichts mehr zu verlieren hat, parierte sie mit geschickten Schwüngen nach rechts und links die Fußtritte und Boxhiebe eines
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