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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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niedergelassen hatte. Der Gondoliere hatte begonnen, ein Lied zu singen, eine seltsam getragene Melodie in einer Sprache, die kein Italienisch war, sondern venezianischer Dialekt sein musste.
    Sie atmete tief ein. Die Luft roch salzig und ein wenig moderig. Marcello Ranieri, der Zauberer, der so schnell wieder verschwunden war, als hätte er sich selbst weggezaubert, hatte ihr erklärt, dass Venedig aus mehr als hundert Inseln bestehe und die Lagune eigentlich eine Art Sumpf sei. Die venezianischen Baumeister hätten die Stadt praktisch auf hölzernen Pfeilern errichtet, die sie tief in den lehmigen Grund der Lagune gebohrt und oben mit mehreren Steinschichten bedeckt hätten. Kleine Brückchen verbänden die Inseln miteinander, hatte Marcello erzählt, und das wichtigste Transportmittel seien die Gondeln, denn statt Straßen gebe es Kanäle, auf denen die Menschen sich fortbewegten, weil keine Kutschen durch die engen Seitengassen passten.
    Die arme Elisabeth! Noch einmal wurden Johannas Gedan ken von den Geschehnissen daheim in Frankfurt abgelenkt. Wie übel hatte dieses Schwein von Gottfried die Freundin doch zugerichtet! Die eigene Frau halb totzuschlagen und sie dann noch bei lebendigem Leib in eine Kellergruft zu sperren – eigentlich hätte sie sofort zur Polizei gehen müssen, um Anzeige gegen ihn zu erstatten. Doch Elisabeth hatte davon nichts wissen wollen. »Nein, tu das nicht, Johanna!«, hatte sie sie angefleht. »Gottfried hat mächtige Freunde in der Stadt, seine Rache wird fürchterlich sein, wenn du versuchst, ihn ins Gefängnis zu bringen. Du weißt doch, wozu er in der Lage ist – beim nächsten Mal bringt er wirk lich eine von uns beiden um!« In den drei Tagen, die Elisabeth, die Mädchen und sie vor ihrer Abreise nach Italien gemeinsam bei den Halderslebens verbracht hatten, war Elisabeth erstaunlich schnell wieder zu Kräften gekommen. Der Kartenmacher und seine Schwester hatten sich wirklich aufopferungsvoll um sie gekümmert. Auch Lili und Margarethe, die glücklicherweise nur die Anfänge der Randale in der Coffeemühle mitbekommen, aber am nächsten Morgen beim Anblick des Trümmerhaufens sofort begriffen hatten, dass Johanna dort in den nächsten Monaten keine Gäste würde empfangen können, waren schnell wieder so lebhaft und lustig gewesen wie eh und je. Und voller Bewunderung für Elisabeths Tapferkeit und ihr schönes blondes Haar! Johanna war unendlich froh gewesen zu erkennen, dass die drei »Weibsen«, wie sie sie insgeheim bei sich nannte, während ihrer Abwesenheit sicher bestens miteinander auskommen und sie hoffentlich nicht allzu sehr vermissen würden. Ihre Gewissensbisse, dass sie Adams Töchter allein in Frankfurt zurückließ, hatte sie zwar nicht ganz verdrängen können, aber es sah zumindest nicht so aus, als würde Elisabeth rückfällig werden und zu Gottfried zurückkehren wollen. Und Margarethe wurde diesen Monat schon vierzehn, war also fast erwachsen.
    Aber was war mit Gabriel?, zermarterte sie sich zum wiederholten Male den Kopf. Von ihm hatte sie überhaupt keine Nachricht mehr erhalten; auch Jehuda, den sie am Morgen ihrer Abfahrt noch rasch aufgesucht hatte, konnte ihr keine Antwort geben. Sie hatte dem alten Krämer nicht die Wahrheit über Gabriels Verwandlung in einen italienischen Salonmusiker erzählt und ihm auch seine schwere Verletzung verschwiegen, sondern einfach behauptet, sie wäre auf der Suche nach dem Geiger, weil sie ihm noch Geld schulde. »Das macht er manchmal, dass er sich für ein paar Tage vollkommen von der Welt zurückzieht«, hatte Jehuda leichthin gesagt. »Geben Sie ihm das Geld einfach später, Frau Johanna, er macht sich sowieso nicht viel daraus«, hatte er kichernd hinzugefügt. Wie wenig sie Gabriel Stern doch kannte, war ihr in dem Moment erneut bewusst geworden. Er hatte etwas in ihr ausgelöst, das sie noch nie erlebt hatte, seine Blicke, seine zarten Berührungen und erst recht sein Kuss hatten ein Gefühl in ihr hervorgerufen, das sie sich nicht erklären konnte. Eine unglaubliche Verlockung, ein Sehnen, das sich ganz tief in ihrem Inneren breitgemacht hatte und das noch immer da war. Aber was half es? Johanna schüttelte den Kopf. Sie konnte nur hoffen, dass Gabriel bei seinen Musikerfreunden, bei Hans und Hetti, untergekommen war und sich rasch wieder von seiner Stichverletzung erholte. Dass sich die Piketts auf die Suche nach ihm machen würden, weil sie mitbekommen hatten, dass er als Jude unerlaubterweise in einem

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