Die Kaffeemeisterin
wäre es etwas ganz Besonderes, bei diesem Johann Baptist Ho mann in die Lehre gegangen zu sein und nun seine Karten zu ko pieren. Wer war das überhaupt? Und selbst wenn Homann eine Koryphäe war: Er erzählte ja schließlich auch nicht jedem, dass der große Antonio Vivaldi sein Kompositionslehrer gewesen war. Allerdings sorgte Jehuda dafür, dass es jedermann erfuhr, obwohl es besser gewesen wäre, wenn niemand davon wusste. Schließlich hatte er dem großen Komponisten seine wahre Identität als Jude wohlweislich verschwiegen.
Elisabeth Hoffmann hing wie gebannt an den Lippen des Kartenmachers, als hätte sie noch nie etwas Klügeres gehört. Sie schien völlig vergessen zu haben, was sie eben noch über ihren unberechenbaren Ehemann und das Damoklesschwert gesagt hatte, das über Johannas Töchtern hing.
»Lasst uns keine Zeit mehr verlieren!«, fing sich Ludwig Haldersleben wieder.
Er eilte zurück hinter seine Theke und tauchte eine Feder in das porzellanene Tintenfässchen vor ihm.
»Liebe Johanna …« , begann er mit geschwungenen Buchstaben das leere Blatt zu füllen.
17. KAPITEL
D er Kapitän war ein Nubier aus Assuan, der die Schifffahrt auf dem Nil erlernt hatte. Meistens stand er mit durchge drückten Knien breitbeinig auf dem Achterdeck. Den Bauch vor gereckt und die Hände in die Taille gestützt, schrie er seinen Leuten Kommandos zu. Eine zierliche Raubvogelnase saß in seinem dunklen Gesicht mit den pharaonischen Zügen. Anders als an den vorhergehenden Tagen drückte seine Miene an diesem Tag höchste Unzufriedenheit aus, und auch seine weiße Galabia flatterte nicht im Wind. Sie hing genauso matt an ihm herunter wie das Focksegel am Mast der Lâle . Schon seit Stunden herrschte Flaute. Kein Lüftchen wehte. Erst hatten sie sich noch durch Hin- und Herkreuzen vom Fleck bewegt. Doch die vielen Wendemanöver hatten die Matrosen erschöpft, und irgendwann hatte sich auch das letzte bisschen Wind gelegt.
Johanna saß mit Marcello in Decken gehüllt auf einem Teppich unter dem Sonnendeck und beobachtete das Geschehen an Bord. Pluto bellte die über ihnen kreisenden Möwen an.
Ahmet Pascha, der Kommandeur der Nilüfer , der größten der drei Galeeren, die sie seit Korfu begleiteten, wies seine Ruderer an, so nah wie möglich an die Lâle heranzufahren. Anscheinend wollte er Ismail Ibn Abdelrahman, wie der nubische Kapitän hieß, davon überzeugen, sich abschleppen zu lassen. Die Küste war schon seit Stunden auf der Backbordseite zu sehen. Es konnte nicht mehr weit sein.
Die Nilüfer war eine Fünfundzwanzig-Bank-Galeere mit einem riesigen Rammsporn am Bug, während die Müge und die Sümbül nur über jeweils achtzehn Ruderbänke verfügten. Außer von den drei Rudergaleeren wurden sie von zwei großen Dreimastern – einer Brigg und einer Fregatte – begleitet, beide mit zwei Kanonenbatteriedecks. Dann waren da noch die drei wendigen arabischen Dhaus, die sie umschwirrten. Zweimastige Boote mit Lateinersegeln, die kurz vor der Dardanellen-Durchfahrt zu ihnen gestoßen waren.
Die Galeerensklaven auf der Steuerbordseite zogen die Riemen ein, als die Nilüfer längsseits der Lâle ging, damit der zum Hinüberspringen bereitstehende Ahmed Pascha mit Kapitän Ismail konferieren konnte.
Plötzlich hellte sich die Miene des Nubiers auf. Er befeuchtete seinen rechten Mittelfinger und hielt ihn in die Luft. Dann drehte er sich zu Johanna und Marcello um und rief triumphierend:
»Es kommt Wind auf. Alhamdullila h !« Mit den Händen form te er einen Trichter vor seinem Mund und brüllte in Richtung seines Obermaats: »Großsegel und Marssegel setzen!«
Der Obermaat, ein Levantiner aus Tyrus, der ebenso kupferfarbene Haare hatte wie Johanna, sprang von seinem Schachspiel auf und wiederholte brüllend den Befehl des Kapitäns.
Ein großer Mann aus Smyrna mit einem roten Fez auf dem Kopf war dabei, die Treppe zur Kapitänskajüte zu streichen. Ein Teil der Matrosen hatte in Hängematten überall auf dem Schiff gedöst. Der albanische Segelmacher und sein Gehilfe saßen im Schatten auf der Luvseite und flickten das Sturmsegel. Was vermutlich nur eine angeregte Unterhaltung war, wirkte bei den beiden temperamentvollen Männern wie ein Streit.
Nun ließ die aus sämtlichen Ecken des Osmanischen Reichs stammende Mannschaft der Lâle alles stehen und liegen, rannte in einem wilden Durcheinander über das Deck und begann den Großmast aufzuentern. Johanna verfolgte das Schauspiel mit offenem Mund. Wie
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