Die Kaffeemeisterin
Kupferplatten.
»Guten Tag«, begrüßte ihn der Kartenmacher, »womit kann ich dienen?« Er wies mit dem Kinn auf die Frau in dem bunten Trachtenkostüm. »Wir haben uns nur unterhalten, die Dame ist eine Freundin von mir.«
Als Gabriel den Mund öffnete, um seine Anwesenheit zu erklären, kam Johannas Nachbar ihm zuvor.
»Aber … aber Sie sind doch der Geiger!«, rief er aus. »Elisabeth, das ist Johannas Geiger!«
»Der aus Italien …?«, ergänzte die Frau.
Erschrocken legte sie sich einen Finger auf die Lippen, als hätte sie zu viel gesagt.
»Das ist Elisabeth Hoffmann, Johannas Freundin«, erklärte der Kartenmacher an Gabriel gewandt. »Sie wohnt mit den Kindern in Bornheim bei Johannas Bruder, so lange, bis unsere Kaffeehauswirtin zurück ist.«
»Äh … ja, ich wollte mich erkundigen, wie es Frau Berger ergangen ist«, stammelte Gabriel.
»Wie ist es Ihnen ergangen?«, erwiderte Ludwig Haldersleben freundlich, ohne auf seine Frage einzugehen. »Beim letzten Mal, als ich Sie gesehen habe, da hatte man Ihnen gerade eine Sichel in die Brust gerammt.«
»Das ist verheilt«, entgegnete Gabriel schnell.
Er wagte es nicht, seine Frage nach Johanna zu wiederholen. Lieber wollte er abwarten, was der Kartenmacher von sich aus erzählen würde.
»Nun, wie es um die Coffeemühle bestellt ist, das sehen Sie ja selbst.« Ludwig Haldersleben nickte in Richtung Nachbarhaus. »Ein Trauerspiel! Ich sehe immer mal wieder nach dem Rechten, damit nicht irgendwelche Landstreicher auf die Idee kommen, sich dort einzunisten. Die oberen Räume, die noch intakt sind, haben wir verrammelt. Aber mehr konnten wir nicht tun. Mit den eigentlichen Aufräumarbeiten wird Johanna sich beschäftigen müssen, wenn sie wieder da ist. Allerdings ist da noch die Sache mit der Gerechtigkeit …«
Dem Geiger fiel auf, dass der Kartenmacher gar keine Uniformjacke, sondern nur einen einfachen Arbeitskittel trug. Auch seine Perücke war weniger pompös als sonst. Irgendwie wirkte er längst nicht mehr so schrullig wie der Mann, den er vor gut einem Jahr kennengelernt hatte.
»Und Gottfried, der ist auch noch da!«, mischte sich Elisabeth Hoffmann in das Gespräch. »Er hat Johanna mit dem Tod gedroht.« Angewidert schüttelte sie den Kopf.
»Und seine eigene Frau bei lebendigem Leib in eine Kellergruft gesperrt und Ihnen, Maestro Stella, eine Sichel in die Brust gerammt – das sollten wir nicht vergessen!«, ereiferte sich Ludwig Haldersleben. »Und als wäre das alles noch nicht schlimm genug, holt er jetzt schon wieder zum Schlag aus!« Er deutete auf das vor ihm liegende Papier. »Wir sind gerade dabei, einen Brief an Johanna aufzusetzen …«
»Wenn sie doch nur noch nicht abgereist ist!«, murmelte Elisabeth in beschwörendem Tonfall.
»Was ist denn passiert, um Himmels willen?«, fragte Gabriel erschrocken.
»Sie muss dringend zurückkommen! So schnell wie möglich! Gottfried gibt einfach keine Ruhe – das ist seine Rache dafür, dass Johanna mich gerettet hat. Man beruft sich nun darauf, dass Johanna ja gar nicht die richtige Mutter der beiden Mädchen ist, und will mir Lili und Margarethe wegnehmen. Stellen Sie sich das mal vor! Dabei liebe ich sie, als wären es meine eigenen Töchter. Womöglich werden sie in ein Waisenhaus gesteckt. Obwohl sie doch bei mir ein wunderbares Zuhause haben und vollkommen glücklich sind! Die armen Kinder! Ich habe natürlich sofort Einspruch eingelegt, aber ich fürchte, das nützt nichts. Johanna muss hier sein!«
»Ihr Mann Gottfried Hoffmann hat den offiziellen Vormund der Mädchen alarmiert«, unterbrach Ludwig Haldersleben Elisabeths Redefluss.
Er schien an Gabriels Gesichtsausdruck erkannt zu haben, dass dieser kaum begriff, wovon eigentlich die Rede war.
»Ja, und Gottfried ist der schlimmste Gegner, den man sich denken kann!«, fuhr Elisabeth aufgeregt fort, als ob der Geiger das nicht am eigenen Leib gespürt hätte. »Er hat Philipp Ingen, dem Vormund der Mädchen, eingeredet, in Bornheim würden sie verdorben werden. Dort würden lauter unsittliche Dinge geschehen und so weiter. Und dabei war Philipp Ingen doch ein Freund von Adam Berger!«, jammerte sie. »Sogar Trauzeuge war er bei seiner Hochzeit! Nun droht er damit, die beiden Mädchen in ein Waisenhaus zu sperren.« Hilflos wedelte sie mit den Händen vor ihrem Gesicht herum. »O Gott, hoffentlich ist sie nicht schon aufgebrochen! Ich weiß nicht, wie lange ich ihn noch hinhalten kann. Wenn sie bloß nicht schon weg ist!
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