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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Artisten bewegten sich die Matrosen in der Takelage, während sie die Leinen und Haken am Großsegel lösten. Seiltänzern gleich balancierten sie auf schmalen Tauen unterhalb der Rahen, weit draußen über dem Schiffsrand – zumindest erschien es Johanna so. Wenn bloß niemand herunterfiel!
    Den Rudersklaven auf der Backbordseite der Nilüfer war es in der Zwischenzeit gelungen, die Galeere wieder von der Lâle wegzusteuern, sodass auch die Riemen auf der Steuerbordseite erneut ins Wasser getaucht werden konnten.
    Johanna blickte wieder zu den Matrosen im Mast empor. Sie bewunderte ihren Mut, sich so hoch über dem Boden zu bewegen. Schwindelgefühle schienen diese Männer nicht zu kennen.
    Beide Segel waren nun gesetzt, und leichtfüßig kletterten die Seeleute wieder hinunter.
    »Kurs Nord!«, kommandierte Ismail Ibn Abdelrahman.
    Gischt spritzte bis zu ihnen auf, als die Lâle an Fahrt aufnahm. Die Brigg und die Fregatte hatten ebenfalls die Segel gehisst, und die Ruderer der Galeeren legten sich kettenklirrend in die Riemen. Am Großmast wehte die osmanische Flagge im Wind. Ein weißer Halbmond und ein weißer Stern auf rotem Grund.
    Johanna lehnte sich in ihre Kissen zurück. Jetzt, da das atemberaubende Spektakel vorüber war und die Matrosen nur noch hier und da Hand anlegten, um auf Kurs zu bleiben, konnte sie ihren Gedanken wieder ungestört freien Lauf lassen. Sie genoss es, endlich einmal zur Ruhe zu kommen. Erst auf dem Schiff hatte sie gemerkt, wie erschöpft sie war. Kein Wunder angesichts der Belastungen, denen sie in den letzten Wochen ausgesetzt gewesen war: tagsüber Schankmagd, abends grande dame . Aber da mit war ja jetzt Schluss, endgültig. Seit dem Tag, als der Conte ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, war sie ohne Nachricht von ihm geblieben. Anfangs hatte sie sich nicht viel dabei gedacht; er hatte ja gesagt, dass er verreisen müsse. Doch als er nach zehn Tagen noch immer nicht wieder aufgetaucht war und ihr auch keine Botschaft hatte zukommen lassen, war ihr allmählich klar geworden, dass ihr Verhältnis wohl beendet war. Der Conte wür de seinen Antrag nicht erneuern, sie hatte ihn offenbar zutiefst verletzt. Ja, es war voreilig und dumm von ihr gewesen, ihn so vor den Kopf zu stoßen. Wenigstens Bedenkzeit hätte sie sich auserbeten, ihm nicht gleich einen Korb geben sollen. Vielleicht hätte sie sich dann ganz anders entschieden. Tagelang hatte sie sich gegrämt und über sich selbst geärgert, ständig in der Hoffnung, Andrea könnte eines Morgens wieder in seiner Lieblingsecke im Florian sitzen, und alles wäre so wie immer. Aber nichts war mehr so wie immer in Venedig gewesen, außer dass es weiterhin Bindfäden geregnet und die Stadt unter Wasser gestanden hatte.
    So war ihr Marcello Ranieris Vorschlag, ihn nach Konstantinopel zu begleiten, gerade recht gekommen. Zehra Sultan, die Schwester des Herrschers, hatte ihm geschrieben, wie sehr ihre Töchter seine Zauberkünste vermissten und dass sie alle sehnsüchtig darauf warteten, ihn wieder in der Hauptstadt des Osmanischen Reiches begrüßen zu dürfen. Sie hätten die ständigen Karagöz-Vorstellungen satt, sie wollten endlich wieder einmal etwas anderes sehen als das ewige Schattenspiel mit den immer gleichen Figuren.
    »Was willst du hier noch, Giovanna?«, hatte der Zauberer sie gefragt, als sie einander im strömenden Regen zufällig auf der Piazza San Marco begegnet waren. Marcello hatte sie unter einen der Torbögen gezogen und auf sie eingeredet, während der klatschnasse Pluto sich zu ihren Füßen niedergelassen und ab und zu mit dem linken Ohr gezuckt hatte. »Floriano hat kein Geld. Du wirst hier nur ausgenutzt! Merkst du das nicht? Niemand arbeitet so hart wie du. Spar deine Kräfte lieber auf, um die Coffeemühle wieder in Schwung zu bringen! Und der Conte meint es doch sowieso nicht ernst mit dir … Wirklich, cara , du glaubst doch nicht im Ernst, dass ein venezianischer Edelmann eine Frankfurter Kaffeehauswirtin heiraten würde? Außerdem ist er sowieso ein Scharlatan und gemeiner Verbrecher.«
    »Andrea, ein Scharlatan und gemeiner Verbrecher? Was erzählst du da, Marcello?«
    Johanna war ehrlich empört über den Zauberer gewesen und bereit, den Conte mit Klauen und Zähnen zu verteidigen. Sie wusste nicht genau, ob sie diesen Mann geliebt hatte, aber auf jeden Fall hatte sie ihn zutiefst bewundert und sich in seiner Gegenwart ausgesprochen wohlgefühlt. Was fiel Marcello ein, dass er ihn so verunglimpfte?
    Der

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