Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Kaisertum als vermeintliche Ordnungsmacht ohne jedes Verständnis für regionale Befindlichkeiten, die Grenzen der Machbarkeit ohne Waffengewalt, gedankliche Überhöhungen und reale Gewöhnlichkeiten.
Kurz: Johannes XII. bereute den kurzen Flirt mit dem neuen Kaiser und förderte bald dessen Feinde. Tief enttäuscht ließ Otto I. den Papst 963 wegen Treulosigkeit absetzen und Leo VIII. (963–965) zum neuen Papst erheben. Hier wie später offenbarte die Namenswahl des Papstes ein Programm. Leo VIII. orientierte sich an Leo III., dem Urheber des abendländischen Kaisertums. Doch die Römer holten Johannes XII. zurück und wählten nach seinem Tod Benedikt V. (964–966) zum Papst. Als Otto Rom mit seinen Truppen blutig eroberte, verbannte er den königlichen Rivalen Berengar samt Gemahlin und ihren Papst Benedikt ans Ende der Welt, nach Bamberg und nach Hamburg an die östlichen wie nördlichen Grenzen des Reichs. Nur mit den Waffen des Kaisers vermochte sich der neue Papst Johannes XIII. (965–972) zu behaupten.
Solch kurzatmige Wechsel überdeckten die eigentliche Ungeheuerlichkeit. In der Nachfolge des Apostels Petrus, die nicht arm an Turbulenzen war, hatte erstmals ein Kaiser durch eine Synode einen Papst absetzen lassen und römische Widerstände gegen die unerhörte Gewalttat gebrochen. Ostfränkische Chronisten sonnten sich zwar in der Gerechtigkeit ihres Herrschers. Nach kirchlichem Recht, das nur Gott als Richter über den Papst vorsah, geschah 963 dagegen ein Unrecht. Nie mehr löste sich das päpstlich-kaiserliche Verhältnis des Mittelalters von diesem Eingriff. Den einen bedeutete er die höchste Sünde, den anderen die vollendete Gerechtigkeit.
Ottos Kaisertum hatte den byzantinischen Basileus herausgefordert. Als Otto während seines dritten Italienzugs (965–972) 967 sogar nach Capua und Benevent ins byzantinische Einflussgebiet aufbrach, verschärfte sich die Konkurrenz. Erst ein politischer Wechsel in Byzanz brachte Ruhe. Der neue KaiserJohannes Tzimiskes (969–976) war sogar bereit, einer ottonischen Delegation seine Nichte Theophanu als Braut für den Sohn des Kaisers mitzugeben.
Otto I. hatte für dieses Heiratsbündnis viel investiert. Seit 967 teilte er nach der königlichen auch die kaiserliche Würde mit Otto II. Adalberts Annalen wissen vom großen «Jubel unter den Unsrigen wie unter den Römern über die hoch erfreuliche Vereinigung der beiden Kaiser mit dem Papst». Die Kaiserkrönung erfolgte durch Papst Johannes XIII. am 25. Dezember 967 im römischen Petersdom. An Ostern 972 empfing der Mitkaiser seine byzantinische Braut in Rom, keine im Purpur geborene Kaisertochter wie erhofft, aber doch wenigstens eine Prinzessin, die im Westen für einen schönen Kulturtransfer aus dem Osten sorgte. Bei der Hochzeitsfeier krönte Papst Johannes XIII. die neue Kaiserin. Die Ehe löste Spannungen zweier Jahrhunderte auf. Darum zelebrierte die ottonische Kanzlei das Ereignis auf einer einzigartigen Heiratsurkunde beider Kaiser für Theophanu, illuminiert, mit goldener Schrift auf Purpur, an Glanz allein mit dem «Ottonianum» vergleichbar.
Erst 972 begab sich Kaiser Otto I. zum Sterben wieder in die Heimat. Nach manchen Repräsentationsakten an den Orten seiner Vorfahren zog er nach Memleben, an den Sterbeort seines Vaters. Hier vollendete er am 7. Mai 973 sein Leben, um sein Grab in Magdeburg zu finden. Wenige Jahrzehnte später wusste Bischof Thietmar von Merseburg in seiner Chronik: «Seit Karl dem Großen hat auf dem Königsthron kein gleichbedeutender Herrscher und Verteidiger unseres Vaterlandes gesessen.» Das Herrscherlob gipfelte in der Erinnerung: «In seinen Tagen brach die goldene Zeit an.»
Mitkönigtum und Mitkaisertum des Sohns hatten den reibungslosen Übergang der Herrschaft gesichert. Otto II. (973–983) musste freilich die Größe des Vaters aushalten. Die Grenzen der Belastbarkeit zeigten sich bald. Nur mit Mühe entging das Kaiserpaar 978 einem Überfall des westfränkischen Königs Lothar auf Aachen. Zum Zeichen seiner Ansprüche drehte der Nachfahre Karls des Großen das Adlerdenkmal auf der traditionsreichen Kaiserpfalz um. Ein Feldzug des Kaisers ins byzantinischbeanspruchte, von Sarazenen beherrschte Süditalien endete 982 in einer militärischen Katastrophe. In der Rangkonkurrenz mit dem östlichen Kaisertum entwickelte die Kanzlei Ottos II. nach früheren Versuchen im März/April 982 den neuen Herrschertitel «Kaiser der Römer». Er brachte fortan die
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