Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Sicherungseid auf die Rechte und Besitzungen von Papst und römischer Kirche. Dann betritt man unter dem Kyrie eleison den Petersdom. Hier spendet der Kardinalbischof von Ostia dem neuen Kaiser die Salbung am rechten Arm und zwischen den Schulterblättern. Der Übergabe der Herrscherinsignien (Ring, Schwert, Zepter, Krone, Reichsapfel) folgt die Krönung vor dem Mauritiusaltar, später vor dem Hauptaltar; dazu erklingen Lobgesänge auf den Kaiser. Anlässlich seiner Krönung tritt der Kaiser zumeist in die Gemeinschaft der Kanoniker von St. Peter und von St. Johannes im Lateran ein und wird damit zum Bruder der Geistlichen. Seit dem 12. Jahrhundert leistet er nach der Messe öffentlich den Strator- und Marschalldienst. Dabei hilft er dem Papst beim Aufsteigen aufs Pferd, indem er den Steigbügel hält; dann führt er zu Fuß das Pferd des reitenden Papstes ein Stück umher. Beide Dienste drücken die Unterordnung des Knechts unter seinen Herrn aus. Anschließend ziehen Papst und Kaiser reitend von St. Peter quer durch Rom zu St. Johannes im Lateran; im Spätmittelalter spenden die Kaiser besonderen Gefolgsleuten auf der Engelsbrücke den Ritterschlag (1312–1452). Zum Abschluss folgt ein Festmahl im Lateran.
Dieser Ablauf beruhte auf Handlungsanweisungen, die von der Wirklichkeit oft genug überholt wurden. Symbole der Unter- und Überordnung wandelten sich mit dem Rangverhältnis von Kaisern und Päpsten. Der in den Ordines vorgeschriebene Zug von St. Peter zum Krönungsmahl im Lateran konnte zwischen 1084 und 1328 nicht stattfinden, weil die Römer aus unterschiedlichen Gründen rebellierten und blanke Gewalt die Szene beherrschte.
Otto I. musste 962 die Nöte symbolischer Unterordnung offenbar noch nicht aushalten. Im stolzen Wissen um die neue Würde urkundete er fortan als ein «durch göttliche günstige Gnade erhabener Kaiser». Seinen Untertanen zeigte er sich in einem ganz neuen Siegelbild, nicht mehr im Profil wie seine Vorgänger, sondern frontal mit der Krone, das Zepter in der rechten, den Globus (Reichsapfel) in der linken Hand. Die kaiserliche Halbfigur blickte den Betrachter mit weit geöffneten Augenan. In einer weitgehend schriftlosen Gesellschaft vollzog sich im Wandel des Herrscherbilds der Wechsel der Herrschaftspräsentation. Einem kriegerischen König folgte ein repräsentativer Kaiser, der den Betrachter in seinen Bann zog. Dieser Wechsel des Siegels begründete eine neue Bildtradition in Europa.
Nach den Krönungsfeierlichkeiten vom 2. Februar 962 begann die Ausgestaltung der Kooperation zwischen Kaiser und Papst. Am 12. Februar 962 verkündete Johannes XII. an Klerus und Volk in Sachsen, Gallien, Germanien und Bayern die Beförderung Ottos zur kaiserlichen Würde wegen seiner Siege gegen die Heiden. Der vom Papst bewilligte Aufstieg des Klosters St. Moritz in Magdeburg zum Erzbistum mit dem neu zu gründenden Bistum Merseburg zog sich noch bis 968. Im glanzvoll ausgeschmückten Magdeburger Dom fand Otto I. 973 seine Grablege.
Am 13. Februar 962 stellte der Kaiser dem Papst eine prachtvolle Purpururkunde aus, das «Ottonianum». Sie garantierte den päpstlichen Besitz, wiederholte die Versprechungen der karolingischen Vorgänger Pippin und Karl, regelte die Papstwahl durch Klerus wie Volk von Rom und befahl einen Treueschwur des neuen Papstes gegenüber dem Kaiser vor der päpstlichen Weihe. Das zog den Nachfolger Petri in den Bann kaiserlicher Kirchenpolitik, die sich im Reich nördlich der Alpen in der herrscherlichen Bestellung nahezu aller Erzbischöfe, Bischöfe und Reichsäbte ausgeformt hatte. Der Kaiser band nun auch die Päpste an sich.
Freilich blieb die Loyalität der Päpste nur vergebliche Hoffnung. Im Wichtigsten hatte sich der neue Kaiser getäuscht, in der Zuverlässigkeit Johannes’ XII., in der Schwäche seiner Widersacher und in der Treue der Italiener. Diese drei Kontrapunkte erfuhren alle Kaiser der Folgezeit als Herausforderung. Aus nordalpiner Sicht mochte man das als italienischen oder päpstlichen Verrat brandmarken. Tatsächlich spielten sich über die Jahrhunderte politische Konflikte ab, die von weitgehender Sprach- und Verständnislosigkeit geprägt blieben. Die Italienzüge der Kaiser jagten einander, weil nur ostfränkisch-deutsche Gewalt für kurze Zeit Ruhe brachte. Damit wuchsen italienischeTraumata, denn ein wirkliches Zusammenspiel der Interessen gelang selten. Ottos Erfahrungen fingen wie im Brennspiegel alle mittelalterlichen Gegensätze ein: das
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