Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Schenkung»
(Constitutum Constantini),
eine vielleicht um 830 im Frankenreich gefälschte Urkunde Kaiser Konstantins des Großen für Papst Silvester I. Bei der Verlegung der Hauptstadt von Rom nach Konstantinopel, so machte der Text glauben, habe der Kaiser dem Papst Rom mit den westlichen Provinzen geschenkt. Die Stadt der Apostelfürsten sollte fortan nicht mehr durch profane kaiserliche Herrschaft befleckt werden. Mit dieser Herausforderung setzte sich Otto III. in einer eigenen Urkunde auseinander. Sie bestritt die Gültigkeit des
Constitutum Constantini
und benannte Rom als «unsere königliche Stadt». Trotz der Verderbtheit der Päpste förderte der Kaiser den Apostel Petrus aus eigener Machtvollkommenheit durch die Schenkung von acht Grafschaften.
Die Daheimgebliebenen formten im Reich nördlich der Alpen den neuen kaiserlichen Glanz in Bildern und Geschichten. Otto hätte, so erzählte es Bischof Thietmar von Merseburg, «alte Gewohnheiten der Römer» erneuert und nach byzantinischer Kaisersitte ganz allein an einem halbkreisförmigen, erhöhten Tisch gespeist. Maler in klösterlichen und bischöflichen Schreibschulen fingen die sakrale Würde ihrer Herrscher in besonderen Herrscherbildern ein. Die Könige und Kaiser überragten ihre Getreuen oder huldigende Gestalten. Sie empfingen ihre Kronen direkt von Gott, von Christus oder von den Apostelfürsten. Dieser exklusive Kontakt zum Göttlichen verschaffte ihnen in liturgischer Erinnerung Anteil an der himmlischen Sphäre.
Zum Jahr 1000 setzte Otto III. seinen kaiserlichen Auftrag im Dienst an Christus durch eine fromme Pilgerfahrt nach Gnesen und durch die Öffnung der Gruft Karls des Großen in der Aachener Marienkirche in Szene. Der Grabkult am großen Vorgänger verband sich mit dem Modell gesteigerter kaiserlicher Herrschaft über die entstehenden christlichen Königreiche in Ungarn und Polen. Das ostfränkisch-deutsche Reich fand damiterste Grenzen seiner latenten Ostexpansion und rückte in eine neue Position der Mitte ein. Vielleicht dachte man wie in Byzanz an eine Familie der Könige unter dem Kaiser? Auf der Pilgerfahrt experimentierte die Kanzlei mit neuen Herrschertiteln: «Otto der Dritte, Knecht Jesu Christi
(servus lesu Christi),
erhabener Kaiser der Römer durch den Willen Gottes, des Erlösers und unseres Befreiers.»
Auf hochfliegende Hoffnungen folgten harte Ernüchterungen. Die Römer widersetzten sich 1001 erneut ihrem Kaiser. Auf der Flucht aus Rom starb Otto III., das «Wunder der Welt», am 23. oder 24. Januar 1002 in Paterno, nur 21 Jahre alt. Auf die Meldung vom Tod kehrte die gerade aus Byzanz gekommene Braut wieder nach Hause zurück. Die Erschütterung der Zeitgenossen hielt Brun von Querfurt fest: «Ach bittrer Tod, unzeitiger Tod, der damals auf der ganzen Erde Blumen sammelte, aber nicht eine, die schöner war!» In Italien setzte dieser Tod dagegen ungezügelte Emotionen gegen die ottonische Herrschaft frei. Nur mühsam gelang die Überführung der Leiche über die Alpen. Oberitalien versank im Aufruhr. Ottos Kaisertum in der Mitte des Mittelalters hatte die Grenzen imperialer Konzepte und ostfränkisch-deutscher Unterdrückungspotentiale deutlich gemacht. Für einige Jahre ging das Reich südlich der Alpen seine eigenen Wege. Rom blieb den Kaisern künftig bloßer Kraftquell ihrer Legitimation und nicht mehr Lebensort ihrer Herrschaft.
Mit dem Tod Ottos III. fand die Linie der Ottonen ihr Ende. In zwei dynastischen Brüchen 1002 und 1024 formte sich die Königswahl im ostfränkisch-deutschen Reich weiter aus. Die nächsten Herrscher, Heinrich II. (1002–1024) aus einer liudolfingischen Nebenlinie und Konrad II. (1024–1039) als Stammvater des salischen Kaisergeschlechts, sicherten sich ihre monarchische Gewalt bei Verschiebung räumlicher Schwerpunkte. Die neu gegründete Bischofskirche von Bamberg bot dem Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde, die neu errichtete Bischofskirche von Speyer allen vier salischen Kaisern die Grablege.
In den Spuren der Vorgänger unterwarf Heinrich II. vor allem die Bischofskirchen und Reichsabteien seinem gestaltendenWillen. Das Reich sollte zum Haus Gottes werden. Nach außen tat sich Heinrich schwerer. Zwei Herrschertreffen mit König Robert II. von Frankreich betonten demonstrativ die Gleichrangigkeit. Versuche, den polnischen Herrscher zu unterwerfen, misslangen. Dafür zog Heinrich II. langsam das Königreich Burgund in seinen Bannkreis. Als dort der letzte welfische König starb,
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