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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Schneidmüller
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eigentümliches Schauspiel. Vor den Mauern Roms ließ der König aus Zelten ein neues Rom mit einer neuen Kurie und Amtsträgern errichten. Unter freiem Himmel führte man auf dieser Bühne eine öffentliche Krönung Heinrichs IV. auf. Nachdem 1082 auch eine zweite Belagerung gescheitert und 1083 nur ein Teilerfolg geglückt war, öffneten die zermürbten Römer 1084 die Tore. Von der unbezwingbaren Engelsburg aus musste Gregor VII. die nahe Siegesfeier seiner Feinde verfolgen. Am Palmsonntag wurde Clemens III. feierlich im Petersdom in sein päpstliches Amt eingesetzt. Eine Woche später, an Ostern 1084, spendete er dort Heinrich IV. die Kaiserkrönung.
    Auch der Tod Gregors VII. 1085 brachte keine Lösung. Jeder neue Papst erhielt einen Gegenpapst. Und der Kaiser hielt am Anspruch fest, seine Herrschaft direkt von Gott erhalten zu haben. Sein Anhänger Petrus Crassus bemühte sogar die Geschichte Karls des Großen und Ottos des Großen, denen das Imperium wegen der Verteidigung der römischen Kirche und ganz Italiens rechtmäßig und auf Dauer zugefallen sei.
    Trotz aller Beschwörungen musste Heinrich IV. bis zum letzten Tag seines Lebens kämpfen, gegen die unversöhnliche Parteider Reformanhänger und gegen seine eigenen Söhne Konrad und Heinrich V. Der Vater-Sohn-Konflikt stürzte die Monarchie 1105/06 noch einmal in eine schwere Zerreißprobe. Als Heinrich V. (1106–1125) endlich die Nachfolge antrat, ruhten große Hoffnungen auf ihm und seinen jungen Helfern. Doch die rasche Überwindung des Epochenkonflikts war nicht einfach. Papst Urban II. (1088–1099) hatte die Annäherung 1095 im Konzil von Clermont erschwert und jedem Kleriker die Ableistung des Lehnseids an einen weltlichen Herren untersagt. Auch wenn man in Westeuropa zu lernen begann, die Amtsgewalt eines Bischofs in einen geistlichen und einen weltlichen Bereich (Spiritualien und Temporalien) zu differenzieren, bereitete die zeichenhafte Ausgestaltung der Übertragung weltlicher Befugnisse anhaltende Schwierigkeiten. Vorerst investierte auch Heinrich V. seine Bischöfe ohne jedes Schuldbewusstsein mit Ring und Stab.
    1107 mobilisierte Papst Paschalis II. (1099–1118) die westlichen Nachbarn im europäischen Ringen. Er reiste damals nach Frankreich zu König Philipp I. und dessen Sohn Ludwig (VI.). Zeitgenössische Beobachter feierten die Begegnung als Erneuerung jenes Schutzes, den einst Pippin und Karl der Große den Päpsten gegen Bedrohungen gespendet hatten. Heinrich V., in seinem eigenen Selbstverständnis Schutzherr der Römer, wurde im französischen Blick zum «deutschen Tyrannen». Gegen ihn fanden, wie schon in der Karolingerzeit, die Päpste bei den Franken/Franzosen verlässliche Hilfe. Im 12. und 13. Jahrhundert festigte sich dieses alte Bündnis aus dem 8. Jahrhundert immer weiter.
    Das westeuropäische Urteil verschärfte sich unter dem Eindruck von Heinrichs Romzug 1111 mit angeblich 30.000 Kriegern. Eigens wurde der Hofkapellan David zum Chronisten bestellt, um den Triumph festzuhalten. Es kam anders. In geheimen Verhandlungen verabredeten Papst und König einen Vorvertrag. Heinrich V. verzichtete auf jede Investitur von Geistlichen, die ihm dafür alle empfangenen königlichen Rechte und Güter zurückgeben sollten. Diese Lösung beseitigte zwar die Vermischung königlicher und geistlicher Sphären, nahm denreichen und stolzen Bischöfen und Äbten aber den größten Teil ihrer materiellen Existenz. Weil apostolische Armut in der mittelalterlichen Amtskirche nur Theorie blieb, erhob sich bei der päpstlichen Verlesung unter den deutschen Bischöfen und Äbten ein Sturm der Entrüstung. Jede Konsensfindung war ausgeschlossen. Trotzig forderte Heinrich sein Investiturrecht zurück und die Kaiserkrönung ein. Den zögerlichen Papst nahm er mit den Kardinälen in Beugehaft. Erschreckte Beobachter formulierten ihre Abscheu vor «unmenschlichen Hunden», die im Petersdom wüteten. Die Resonanz in ganz Europa war ungeheuer. Selbst dort, wo man noch niemals einen Kaiser erwähnt hatte, schrieb man bebend über den deutschen Tyrannen oder den zweiten Judas.
    Unter dem Druck salischer Gewalt sagte Paschalis dem König im Vertrag von Ponte Mammolo (bei Rom) das Recht der Investitur von Bischöfen mit Ring und Stab nach der kanonischen Wahl und vor der Weihe zu. Außerdem bewilligte er die Kaiserkrönung und gab das Versprechen, Heinrich wegen der Vorfälle niemals bannen zu wollen. Eigentlich bedeutete das Einlenken einen unglaublichen

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