Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Auswahlverfahren durch Präsenz und Vergabe der weltlichen Hoheitsrechte. Das ganze Gefüge mit seinen Zeichen und Symbolen war gedanklich klarer und praktisch komplizierter geworden. Das Zepterlehen des Königs ersetzte seine bisherige Übergabe von Ring und Stab und machte die unterschiedlichen Wurzeln der bischöflichen Amtsgewalt deutlich. Die kirchlichen Würdenträger wuchsen damit in einen neuen Fürstenstand hinein, der sich aus den Zepterlehen zu definieren begann. Die ältere Reichskirche wurde im 12. Jahrhundert in das Lehnswesen des Reichs eingebunden. Lediglich die Frage, ob der Papst die kaiserlichen Rechte nur Heinrich V. persönlich oder der überindividuellen Monarchie zugestanden hatte, musste noch präzisiert werden.
Als Heinrich V. am 23. Mai 1125 in Utrecht starb, endete nach 101 Jahren die salische Dynastie im Reich. Ihre Erinnerung erhielt sich vor allem in der Grablege des Speyerer Doms.Die zeitgenössische Weltchronistik hatte gerade gelernt, Kaisergeschichte als Familiengeschichte und in der Abfolge großer Herrscherdynastien zu schreiben: Karolinger, Ottonen, Salier. Um 1100 begann Frutolf von Michelsberg die Kaiser zu zählen. Heinrich IV. galt ihm als der 87. Herrscher seit Augustus. Die Kontinuität des kaiserlichen Amts in seiner heilsgeschichtlichen Aufgabe trat über Epochengrenzen und Dynastiebrüche hinweg. Das römische Kaisertum als Institution überlagerte die bloße Abfolge individueller Kaiser.
Bei der Königswahl 1125 setzte sich nicht der staufische Herzog Friedrich II. von Schwaben als nächster Verwandter Kaiser Heinrichs V., sondern der große Gegner des letzten Saliers durch, Herzog Lothar von Sachsen. Dieser bewusste Kontinuitätsbruch und die nachdrückliche Betonung der Fürstenwahl verschoben die Schwerpunkte des Reichs wieder nach Norden. Die Heimat Lothars III. (1125–1137) lag im Land zwischen Braunschweig und Helmstedt. Nach seinem Stammsitz Süpplingenburg benannt, schuf er sich seine Grablege in Königslutter am Nordrand des Elms. Sächsische Chronisten sahen goldene, glückliche Zeiten anbrechen und dachten an ottonischen Glanz zurück. Spätere deutsche Historiker urteilten nicht mehr so fröhlich, weil der neue Herrscher in seiner Reformorientierung kaiserliche Grundsätze aufzugeben und dem Papst allzu weit entgegenzukommen schien.
Der Gegensatz zu den staufischen Brüdern Friedrich II. von Schwaben und Konrad überschattete Lothars Regierungszeit. 1127 ließ sich Konrad zum Gegenkönig wählen und suchte sogleich sein Glück in Italien. Nur mit Mühe gelang 1134/35 die Unterwerfung der beiden Staufer. Einen Bundesgenossen fand der neue König in Herzog Heinrich dem Stolzen von Bayern aus dem Welfenhaus. Ihm gab Lothar sein einziges Kind Gertrud zur Ehefrau und baute den Schwiegersohn zielstrebig zum Herzog von Sachsen auf. Der Besitz zweier Herzogtümer bot scheinbar die ideale Voraussetzung für die nächste Königskandidatur.
Seine Aachener Königskrönung zeigte Lothar dem Papst an. Neu war die Reaktion. Ungefragt bestätigte Honorius II. (1124–1130) die Wahl und nahm erstmals ein päpstliches Zustimmungsrechtzur Königswahl in Anspruch. Mit der gleichzeitigen Wahl der Päpste Innocenz II. (1130–1143) und Anaklet II. (1130–1138) brach ein Schisma aus, das nicht mehr vom Schutzherrn der Römer, sondern durch die Gehorsamsentscheidung vieler Könige und Fürsten auf europäischer Bühne entschieden wurde. Wie die Könige von England und Frankreich ergriff Lothar III. Partei für Innocenz. Auf einer Reise durch Westeuropa festigte der Papst seine Anhängerschaft. Der französische Abt Suger von Saint-Denis schilderte den päpstlichen Zug als Kette öffentlicher Gehorsamsakte der Könige. Auf seinem glanzvollsten Hoftag im Mai 1131 in Lüttich erwartete Lothar III. den Papst, eilte ihm zu Fuß ein wenig entgegen und ergriff die Zügel des päpstlichen Schimmels. In seiner anderen Hand hielt der König einen Stab, um den Papst «wie einen Herrn» zur Herberge zu geleiten. Diesem Stratordienst folgte der Marschalldienst, indem Lothar seinem Gast beim Absteigen durch das Halten des Steigbügels behilflich war. So machte der König «den Wissenden wie den Unwissenden die Erhabenheit des Papstes klar».
Diese Worte stammten von Suger von Saint-Denis, der die Deutschen herzlich hasste, nicht aus Lothars Umgebung. Über die Wahrhaftigkeit des Rituals und seine symbolische Ausdeutung ist nur auf dieser Quellengrundlage zu entscheiden. Lothar III.
Weitere Kostenlose Bücher