Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
in Anspruch. Seinen Gegnern galt er darum als Simonist. Der salische Hof hatte den stringenten Argumentationen der Kurie wenig Brillanz entgegenzustellen. In den Kämpfen der Folgezeit beriefen sich Heinrich IV. und sein Sohn Heinrich V. (1106–1125) zumeist auf das bewährte Herkommen. Ihre Herrschaft leiteten sie nicht von den Päpsten, sondern direkt aus der Gnade Gottes, aus väterlicher Erbfolge und aus der Wahl durch die Fürsten ab.
Nach turbulenten Anfängen wurde bald der ausgeprägte Durchsetzungswille Heinrichs IV. deutlich. In den beständigen Konflikten seines Lebens vermochte er sich nicht oft auf den Konsens seiner Fürsten zu stützen. Heinrich IV. war ein Individualist, für manche sogar ein Autist der Macht. Von seiner ersten Frau Bertha wollte er sich eigentlich rasch scheiden lassen. Seine zweite Gemahlin Praxedis flüchtete vor ihm und erhob unerhörte Vorwürfe über sexuelle Verfehlungen. Beide Söhne bekriegten nach ihrer Erhebung zu Mitkönigen den Vater, der nach fünfzigjähriger Königsherrschaft 1106 immer noch kämpfte und in Lüttich einen einsamen Tod fand.
Die Konfrontation zwischen Heinrich IV. und Papst Gregor VII. eskalierte zwischen Weihnachten 1075 und Januar 1077. Gerade hatte der König durch die Erhebung seines kleinen Sohns Konrad zum Mitkönig die Dynastie gesichert, alsihn ein päpstlicher Brief mit dem Befehl zum Gehorsam erreichte. Im Vertrauen auf die Geschlossenheit von Bischöfen und Fürsten hielt Heinrich am 24. Januar 1076 in Worms einen Hoftag ab. 26 Bischöfe kündigten dem Papst ihren Gehorsam auf und fochten die Rechtmäßigkeit seiner Wahl an. Mit markigen Worten formulierte Heinrich die Absetzung des Papstes: «Auf Grund des Patriziats über die Stadt Rom, der mir als von Gott gewährt und infolge der beschworenen Zustimmung der Römer zusteht, befehle ich dir, vom Thron herabzusteigen.» Wenige Wochen später spitzte die salische Kanzlei diese Forderung propagandistisch zu: «Ich Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab.»
Den Gegenschlag inszenierte Gregor VII. auf der römischen Fastensynode 1076. Er untersagte allen deutschen Bischöfen die Ausübung ihres Amts, räumte aber eine Frist zur Umkehr ein. Die italienischen Bischöfe wurden sogleich exkommuniziert. In einem Gebet am Petrusgrab entzog der Papst dem König die Leitung des Reichs, löste alle Christen von ihrem Treueid und verhängte den Kirchenbann. Rasch brach Heinrichs stolze Position im Reich zusammen. Nur mit Mühe konnte er die Wahl eines neuen Königs durch sein Versprechen an die Fürsten hinauszögern, sich binnen Jahresfrist vom Bann zu lösen. Darum trat der König im Winter 1076/77 seinen berühmten Bußgang zur Burg Canossa an. Demütig flehend nötigte er im Januar 1077 dem Papst die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen ab.
Die Begegnung der beiden Männer hatte ihren Konflikt nur für den Augenblick entschärft. Die deutschen Fürsten erhoben 1077 und 1081 mit Rudolf (von Schwaben) und Hermann (von Luxemburg) zwei Gegenkönige. 1080 wurde Heinrich IV. erneut gebannt. Überall im Reich bildeten sich unter den Anhängern des Saliers oder der Reformer Fraktionen. Ein Augsburger Annalist stöhnte: «Oh beklagenswertes Aussehen des Reichs! Wie in einer Komödie zu lesen ist ‹Alle sind wir verdoppelt›, so sind die Päpste verdoppelt, die Bischöfe verdoppelt, die Könige verdoppelt, die Herzöge verdoppelt.»
Im Kampf der Waffen, der Symbole und der Worte mobilisierten die Reformpäpste die europäische Öffentlichkeit gegen das Reich. Gregor VII. traf den Nerv des politischen Selbstverständnisses, als er Heinrich König der Deutschen, sein Reich deutsches Reich nannte. Von der Höhe des römisch-universalen Anspruchs schien die Monarchie in die Normalität der europäischen Nationen zu stürzen. Das konnte Heinrich nicht akzeptieren. Auf einer Synode in Brixen ließ er Gregor VII. erneut absetzen und den Erzbischof von Ravenna zum (Gegen-)Papst erheben. Seine Namenswahl war wiederum Programm: Clemens III. (1080–1100). Heinrich III. hatte 1046 Clemens II. gegen drei römische Päpste erheben lassen und von ihm sogleich die Kaiserkrönung erhalten. Doch so einfach wiederholten sich 34 Jahre später die Dinge nicht.
Bei seinem Italienzug 1081 kam Heinrich IV. zwar zügig bis vor die Tore Roms. Aber die Eroberung der Stadt gelang nicht. Den tapferen Verteidigern bot das salische Heer ein
Weitere Kostenlose Bücher