Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
verhielt sich freilich wie die englischen und französischen Könige mit ihren Fußfällen. Durch den Strator- und Marschalldienst machte er seine Entscheidung für eben diesen Papst öffentlich deutlich. Nicht sicher zu entscheiden ist, ob 1131 Vorbilder wirkten. Pippin (754), Ludwig II. (858) und Konrad (1095) hatten den Päpsten diesen Ehrendienst erwiesen. Doch die langen Pausen ließen keine Kontinuität im Zeremoniell entstehen. Aber in der Symbolwelt des 12. Jahrhunderts wirkte Lothars Akt in die Zukunft. Vor der Kaiserkrönung Friedrichs I. Barbarossa forderte der Papst den Stratordienst als altes Ehrenvorrecht kategorisch ein und machte ihn zur künftigen Pflicht.
Das Schisma gab dem König freilich auch politische Stärke. Noch in Lüttich forderte er, wenn auch vergeblich, das königliche Investiturrecht zurück. 1133 zog er nach Rom. Da St. Peterund die ganze Leostadt jenseits des Tibers in der Hand Anaklets II. war, musste sich Lothar als erster Kaiser mit der Krönung in St. Johannes im Lateran begnügen. Jetzt wurden die päpstlichen Bestimmungen des Wormser Konkordats verstetigt und konkretisiert. Kein Bischof durfte die vom König stammenden Rechte ausüben, bevor er sie nicht vom Herrscher durch Ableistung des Treueids erhalten hatte. Nun erfasste die beginnende Systematisierung des Lehnswesens auch die Reichskirche. Innocenz II. gewährte seinem Förderer auch weitere Zugeständnisse. Schon Lothars zweiter Italienzug 1136/37 zeigte dann aber die Grenzen deutscher Waffen im Süden. Ohne wirkliche Erfolge starb der Kaiser auf dem Rückweg über die Alpen.
Nach dem Tod Lothars ließ der Papst zur Erinnerung an die Kaiserkrönung im Lateranpalast ein nur in späteren Abzeichnungen überliefertes Wandgemälde anbringen. In einer Szene beugte Lothar vor dem thronenden Papst die Knie. «Vor dem Tor beschwört der König die Rechte der Römer, wird dann des Papstes Vasall; von ihm empfängt er die Krone.» Diese Bildunterschrift rief später bei Kaiser Friedrich I. Barbarossa eine solche Empörung hervor, dass er auf der Tilgung der Verse bestand.
87 Jahre nach Sutri hatte sich die Präsentation des Ranggefüges von Kaiser und Papst vollständig verwandelt. Gelehrte Juristen notierten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, der Papst sei der wahre Kaiser. Lothar III. verbuchte nach symbolischer Unterwerfung pragmatische Erfolge. Seine Nachfolger behandelten die Rituale dann als Frage der Ehre, beugten sich aber letztlich dem geistlichen Vorrang der Päpste. Papst Gelasius I. hatte vor Jahrhunderten formuliert, Gott habe zwei Gewalten in die Welt gesetzt. Nach langer Zeit, in der die Päpste mühsam ihre Würde behaupteten, bewegte sich nun die Waagschale zu ihren Gunsten. Seit dem 12. Jahrhundert griffen die Kaiser auf die Geschichte von den zwei Gewalten oder zwei Schwertern zurück. Da die Päpste auf der langen Leiter von der Erde zum Himmel schon weiter oben standen, wollten die Kaiser wenigstens mit dem weltlichen Schwert ihr Gewicht auf Erden behaupten.
7 Das Heilige Reich
(1138–1308)
Drei staufische Kaiser, Friedrich I. Barbarossa, Heinrich VI. und Friedrich II., betonten noch einmal wirkungsvoll den Vorrang des Imperiums in der christlichen Welt. Im zunehmenden Verlust individueller Handlungsmacht verteidigten sie die Ehre des Kaisertums wie des Reichs
(honor imperii).
Der Wettstreit der Zeichen und Symbole hatte sie demonstrativ zu Dienern der Päpste gemacht. Dagegen setzten sie ihr geheiligtes Reich
(sacrum imperium).
Es erinnerte daran, dass unter Augustus das Kaisertum vor der christlichen Kirche in die Geschichte eingetreten war und der Geburt Christi wie der Ausbreitung seiner Lehre erst den Rahmen schuf. Als Nachfolger der römischen Caesaren steigerten die staufischen Kaiser noch einmal ihren Anspruch. Aber in ihrem tragischen Ringen mit den Päpsten offenbarte sich auch die Brüchigkeit imperialen Glanzes. Allmählich rückte das Kaisertum in die Normalität der europäischen Mächte ein.
In beherztem Zugriff hatte der frühere staufische Gegenkönig Konrad III. (1138–1152) beim Tod Kaiser Lothars III. nach der Krone gegriffen. Er eröffnete damit eine fatale Konkurrenz mit dem welfischen Herzog Heinrich dem Stolzen. In den nächsten Generationen flammte sie unter veränderten Bedingungen wiederholt auf, bis die Urenkelgeneration endlich 1235 den Zwist beilegte. Im Streit um die welfischen Herzogtümer Bayern und Sachsen veränderten sich das Ordnungsgefüge und der
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