Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
formalisierte Konfliktaustrag im Reich. Der Einfluss der Fürsten, die sich vom 12. zum 13. Jahrhundert ständisch formierten und ihren Anteil am Reich offensiv einforderten, erwuchs immer deutlicher zur Basis herrscherlichen Handelns. Die Aura gesteigerter kaiserlicher Würde wollte einen Gegenpart zum Wandel des Reichs bieten. Hier vollzog sich Modernisierung aber nichtmehr an der Spitze, sondern in den fürstlichen Dynastien. Ihnen gehörte die Zukunft. Viele föderale Elemente deutscher Geschichte gewannen in dieser konsensualen Herrschaft scharfe Konturen: das Reich als Herrschaftsverband von Kaisern/Königen und Fürsten, die fürstliche Partizipation an Fundamentalentscheidungen, der Hoftag als mobiles Zentrum formalisierter Willensbildung, schließlich die Ausbildung einer exklusiven Gruppe von Königswählern.
Konrad III., der seinem Haus mit kurzer Unterbrechung (1208–1212/18) bis 1254 das Königtum sicherte, galt dem Chronisten Otto von Freising als 93. Herrscher seit Augustus. Doch als erster König seit 962 zog Konrad nicht mehr nach Rom. Beanspruchungen im Reich, die unglückliche Teilnahme am zweiten Kreuzzug und ein längerer Aufenthalt in Byzanz schienen wichtiger als die Kaiserkrönung. Nach neun Kaisern wurde deutlich, dass die deutsche Königswürde nicht zwangsläufig nach Rom führte.
Trotzdem trat Konrad in verwandtschaftlichen und politischen Kontakten mit den byzantinischen Herrschern sogar als Kaiser auf. Der Staufer sprach seine Partner als Kaiser von Konstantinopel oder als König der Griechen an. Byzanz stand für ihn im Schatten des alten Rom. Dem beanspruchten Vorrang, der aus der Unterordnung der christlichen Königreiche des Westens unter das römische Imperium erklärt wurde, beugte sich Kaiser Johannes II. (1118–1143) nicht. Er sprach Konrad korrekt als König und als «Freund seines Kaiserreichs» an. Solche Anredestreitigkeiten des 12. Jahrhunderts zeigten das konkurrierende Nebeneinander von staufischem und byzantinischem Kaisertum im Kampf um die römische Geschichte.
Als künftiger Kaiser wurde Konrad gleich doppelt eingeladen, von Papst Eugen III. (1145–1153) wie von den römischen Bürgern, die sich gegen den päpstlichen Stadtherrn zur Stadtgemeinde zusammenschlossen. 1149 konkretisierte sich erstmals die kommunale Kaiseridee aus altrömischen Traditionen, als der Stadtrat zur bürgerlich-römischen Kaiserkrönung einlud. Konrad solle «nach Beseitigung aller Behinderung durch die Geistlichkeit» um so «freier und besser» über Italien undDeutschland herrschen (Wibald von Stablo). Beiden Einladungen leistete der König keine Folge mehr. Als sein Neffe Friedrich I. Barbarossa (1152–1190) in Frankfurt am Main zum König gewählt und in Aachen gekrönt wurde, betrieb er alsbald den Romzug. Das sogleich einsetzende Ringen um die angemessene symbolische Ausgestaltung sollte das Kaisertum nachhaltig prägen.
Barbarossa, von den Deutschen später als imperialer Gipfelpunkt imaginiert, war von einem ausgesprochenen Gespür für die Ehre seiner Person und seines Reichs durchdrungen. Schon die selbstbewusste Anzeige seiner Königswahl an den Papst betonte, man folge mit diesem Schreiben nur einem höflichen Brauch der Vorgänger. Das Königtum komme aus dem Geist Gottes. Zwei Gewalten lenkten die Welt, die heilige Autorität der Päpste und die königliche Macht. Friedrich I. schrieb als «König der Römer und immer Augustus», nahm also den wegweisenden Titel Augustus schon in Anspruch. In seiner Antwort beließ es der Papst aber nicht bei der Bekräftigung der Königswahl (Konfirmation), sondern prüfte und bewilligte ungefragt diesen Erhebungsakt (Approbation).
Vertragliche Vereinbarungen betonten die von Gott verliehene Würde von Papst und König. 1153 nahm Friedrich bereits den Kaisertitel für sich in Anspruch. Die Kaiserkrönung, zu der sich der Papst verpflichtete, schien bloßes zeremonielles Etikett. Doch auf dem Romzug 1154/55 änderte sich das Verhältnis von Anspruch und Leistung. Bei der ersten Begegnung verlangte der neue Papst Hadrian IV. (1154–1159) die Leistung des Stratorund Marschalldienstes. Nur widerwillig gab Friedrich nach. Grund für die Differenzen war die Präzisierung des personalen Zeichensystems im Hochmittelalter. Es definierte den Stratorund Marschalldienst als Ritual eindeutiger Unterordnung im Verhältnis von Lehnsherr und Lehnsmann. Lehnsmann des Papstes wollte der künftige Kaiser keinesfalls werden. Darum deutete er den Dienst
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