Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
begründete König- und Kaisertum. Am 18. April 1328 ließ er, beraten von Marsilius von Padua und im Rückgriff auf das Handeln Kaiser Ottos des Großen, den Papst absetzen. Das Urteil gegen diesen Antichristen bekräftigte ein Dekret, dass kein Papst Rom verlassen dürfe, ohne sein Amt zu verlieren. An Himmelfahrt wurde ein Franziskaner als Nikolaus V. (1328–1330, † 1333) zum neuen Papst erhoben. Zehn Tage später spendete er am 22. Mai 1328 Ludwig IV. und Margarete im Petersdom erneut die nunmehr päpstliche Kaiserkrönung. In der Tradition römischer Caesaren erließ Ludwig jetzt «mit dem römischen Klerus und Volk» kaiserliche Gesetze. Nikolaus V. war der letzte kaiserliche Gegenpapst der Geschichte. Nur kurzzeitig vermochte er sich zu behaupten. 1330 gab er sein Amt reumütig dem rechtmäßigen Papst Johannes XXII. zurück.
Die doppelte Kaiserkrönung innerhalb weniger Monate machte keine stringente Kaiseridee Ludwigs deutlich. Auf dem Zug nach Norden traf er im Herbst maßgebliche Führer des Franziskanerordens. Der Ordensgeneral Michael von Cesena, der Ordensprokurator Bonagratia von Bergamo und der englische Theologe Wilhelm von Ockham waren in Avignon verhaftetworden und konnten fliehen. Auf ihren Rat veröffentlichte der Kaiser im Dezember eine auf den 18. April 1328 zurückdatierte erneute Absetzungsurkunde Johannes’ XXII. mit heftigen Ketzervorwürfen. 1329 kehrte er nach Deutschland zurück und präsentierte sich zu Weihnachten in München als neuer Kaiser. Die bayerische Residenz wurde zum Zufluchtsort führender Franziskaner. Mit ihrer scharfzüngigen Polemik gegen die Kurie machten sie die kaiserliche Propaganda fortan interessant.
Auch der päpstliche Rivale verfolgte Ludwig von Avignon aus mit hartnäckigem Hass. Schon vor der Kaiserkrönung hatte Johannes XXII. zum Ketzerkreuzzug gegen Ludwig aufgerufen. Im März 1328 erklärte der Papst die römische Kaisererhebung für nichtig und alle Regierungshandlungen für ungültig. So heftig die Schmähungen und Bannflüche auch waren – die Aufregung in Europa hielt sich in Grenzen. Man hatte sich allmählich in einem Leben mit Gebannten und Antichristen eingerichtet.
Das Ringen spitzte sich 1338 noch einmal zu. Viele deutsche Bischöfe, Domkapitel, Adlige und Städte protestierten bei der Kurie gegen die päpstliche Verfolgung ihres gewählten Kaisers. Ludwig selbst erklärte, der Papst käme einem Heiden gleich, wenn er die Rechte des Reichs nicht respektierte. In einer Proklamation mit den programmatischen Anfangsworten «Fidem catholicam» wurde die kaiserliche Position auf den Punkt gebracht. Die Rechtmäßigkeit von König- und Kaisertum erwachse allein aus der Fürstenwahl. Dem Papst stünden weder die Approbation noch die Vergabe der Kaiserkrone zu, und das Imperium stamme unmittelbar von Gott. Am 16. Juli 1338 trafen sich die Kurfürsten in Rhense am Mittelrhein. Ohne den Kaiser zu erwähnen, bekräftigten sie ihr alleiniges Recht zur Königswahl, in der das Mehrheitsprinzip gelten solle. Dem Gewählten komme ohne Approbation des Papstes sogleich die vollgültige Herrschaftsgewalt zu. In dieser Bekräftigung verschmolz das Kaisertum mit dem Königtum.
Einige Tage später, am 8. August 1338, proklamierte Ludwig IV. auf einem Frankfurter Hoftag in einer Urkunde mit denAnfangsworten «Licet iuris» nochmals feierlich seine Rechtsansprüche: «Die kaiserliche Würde und Macht stammen unmittelbar von Gott allein … Sobald jemand von den Kurfürsten des Reichs einmütig oder mit Mehrheit von ihnen zum Kaiser oder König gewählt wird, ist er sofort allein auf Grund der Wahl wahrer König und Römischer Kaiser, als solcher anzusehen und zu benennen … Und weder von Seiten des Papstes oder des Apostolischen Stuhls noch irgendwessen sonst bedarf er der Anerkennung
(approbatio),
Bestätigung
(confirmatio),
Ermächtigung oder Zustimmung.» Reich und Kaisertum, so könnte man die kaiserliche Position zusammenfassen, existierten aus dem Willen Gottes und der Fürstenwahl. Wer sich dieser Wahrheit widersetzte, wurde zum Majestätsverbrecher, dem das Todesurteil drohte.
Solche Proklamationen stärkten die Anhänger und präzisierten die eigene Rechtsposition. Mit markigen Worten ließ sich der große Konflikt aber nicht mehr lösen. Im endlosen Streit bahnte Erzbischof Balduin von Trier 1346 die Wege für einen Thronwechsel. Favorit war sein eigener Großneffe Markgraf Karl von Mähren, Enkel Kaiser Heinrichs VII. und Sohn König Johanns von
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