Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
zu eilen. Es gelang ihm, die hier operierenden Römer vollständig aufzureiben (Herodian. 6, 5, 5 – 10). Diese Niederlage veranlaßte Severus Alexander, sich mit seinem Heer nach Syrien zurückzuziehen und auch den in Medien
stehenden Truppen den Befehl zum Rückzug zu erteilen (Herodian. 6, 6, 2).
Den Erfolgen der Römer in Medien standen ihre schweren Verluste in Mesopotamien gegenüber. Aufrechnen ließen sich beide Posten
nicht, wohl aber in Vergleich setzen zu denen der persischen Gewinn- und Verlustrechnung, die sich keineswegs nur als eine
Umkehrung der römischen darstellte. Der Sieg über die südliche Heeresgruppe der Römer hatte die Perser eine sehr hohe Zahl
Toter und Verwundeter gekostet, und die Verwüstung Mediens durch die Römer war nicht nur für das Land verderblich, sondern
belastete auch das Prestige der neuen Dynastie (Herodian. 6, 6, 5). Ardaschir sah wohl ein, daß er mehr als den Rückzug der
Römer im Augenblick nicht erreichen könne. So verzichtet er auf eine Fortsetzung des Krieges. Severus Alexander wiederum mochte
darin einen Erfolg seines Feldzuges insgesamt sehen. Jedenfalls kehrte er 233 als Sieger über die Perser nach Rom zurück und
feierte am 25. September „einen prächtigen Triumph“ (Hist. Aug. Sev. Alex. 56, 1).
Der Feldzug des Severus Alexander gegen das Perserreich hatte die unverhoffte Nebenwirkung, daß Hatra, die Wüstenfestung,
sich den Römern anschloß. Sie war von Ardaschir ca. 227 vergeblich belagert worden und hoffte nun, mit römischer Hilfe der
drohenden Eroberung durch den Sassaniden entgegenwirken zu können. Die Römer bauten eine Verbindungsstraße vom Legionslager
Singara nach Hatra (Année épigr. 1958, 241) und legten eine Truppenabteilung in die Stadt (Année épigr. 1958, 238). Severus
Alexander |202| erreichte also durch die Gunst der Umstände, was Septimius Severus trotz hohem militärischem Einsatz (oben S. 199) versagt
geblieben war.
Mit den Ereignissen, welche dem Ostfeldzug des Severus Alexander vorangingen, und der Erwähnung seines eigenen zweiten Konsulats
(229) beschloß Cassius Dio aus Nicaea/Bithynien seine ›Römische Geschichte‹ in griechischer Sprache, deren letztem Teil (ab
180) als Bericht eines Augen- und Ohrenzeugen (vgl. 73, 8, 3) besondere Bedeutung zukommt, wenngleich er nur epitomiert erhalten
ist. Der griechischen Oberschicht angehörend und ihrer Bildungstradition verhaftet, hatte Cassius Dio sich durch seine senatorische
Karriere doch so sehr der römischen Kultur angeglichen, daß sein Geschichtswerk nach Form und Inhalt die römische Annalistik
fortsetzte.
Einige Jahre über Dios Schlußpunkt hinaus führte Herodians ›Kaisergeschichte seit dem Tode des Marcus‹, nämlich bis 238. Auch
Herodian war Zeitgenosse der Ereignisse, von denen er berichtete (vgl. 1, 2, 5), auch er schrieb Griechisch. Aber die Konzeption
seines Geschichtswerks war eine andere als die des Senators Dio, was wohl mit seiner Herkunft aus der Mittelschicht – Herodian
war anscheinend Freigelassener – zusammenhing. Die Kaiser bildeten für ihn den Leitfaden, der rhetorische Aufputz war sein
Lebenselixier.
Noch ein drittes, von einem Zeitgenossen der Severer stammendes Werk ist hier zu erwähnen, das zur Formung des Geschichtsbildes
dieser Zeit maßgeblich beigetragen hat: die Kaiserbiographien des L. Marius Maximus, die von Nerva bis Elagabal reichten und
zwölf Kaiser umfaßten wie das Werk Suetons (oben S. 115), an das sie sich anschlossen. Marius Maximus war ein enger Gefolgsmann
des Septimius Severus mit blendender Karriere, die sich auch unter dessen Nachfolgern fortsetzte (cos. II 223). Mit den Kaiserbiographien
entsprach Marius Maximus dem Zeitgeschmack, welcher diese Form der Darstellung mehr und mehr der Geschichtsschreibung großen
Stils vorzog. Als Werk verloren, ist viel von seinem Inhalt in die Biographien der spätantiken ›Historia Augusta‹ (unten S.
296) eingegangen.
|203| 7. DER NIEDERGANG DES REICHES IM 3. JAHRHUNDERT
Mit der Kaisererhebung des Maximinus 235 in Mogontiacum/ Mainz (oben S. 197) erhielt ein Mann den Purpur, wie man das Zeremoniell
jetzt bezeichnete (Herodian. 6, 8, 5), der den reinen Typus des Soldaten verkörperte (Aur. Vict. de Caes. 25, 1). Ein Hüne
von Gestalt und im Besitz gewaltiger Körperkräfte, hatte der halbbarbarische Thraker den Aufstieg zu wichtigen militärischen
Kommandoposten geschafft. In den Senatorenrang war er
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