Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Folge: Die römische Garnison in Nisibis
(oben S. 163) war von Osrhoenern, Adiabenern (östl. des Tigris) und Arabern (den sog. Arabes Scenitae im südlichen Mesopotamien)
bestürmt worden. Septimius Severus sah es nach dem Sieg über Pescennius Niger (194) als seine |198| Pflicht an, gegen die Angreifer vorzugehen. Zugleich lag ihm daran, in den fernen Landen Ruhm zu erringen (Cass. Dio 75, 1,
1). Er wurde ihm zuteil; seine Siegerbeinamen Adiabenicus und Arabicus (195) kündeten davon. Mit dem König Abgarus von Osrhoene
kam ein Arrangement zustande, demzufolge er die Herrschaft über Edessa behielt; das übrige Gebiet wurde als Provinz Osrhoene
einem Procurator unterstellt (Grenzziehung: Année épigr. 1984, 919).
Bevor Severus Mesopotamien verließ, empfing er zu seiner Genugtuung die Nachricht, daß seine Truppen Byzanz nach zweijähriger
Belagerung erobert hatten. Die Stadt wurde wegen ihrer Widersetzlichkeit zerstört und ihr Territorium der Nachbarstadt Perinthus
überlassen. Damit war eine der bittersten Erinnerungen an Pescennius Niger ausgelöscht. Aber ein Stachel saß noch tief im
Fleisch des Siegers: Das Wüstenfürstentum Hatra (vgl. oben S. 156) hatte Pescennius Niger unterstützt. Septimius Severus sah
sich im Augenblick nicht in der Lage, etwas gegen Hatra zu unternehmen. Die Gelegenheit kam jedoch schon bald (Herodian. 3,
9, 1).
Nach dem Abzug des römischen Heeres aus Nordmesopotamien rückte der Partherkönig Vologaeses (IV.) in die von den Römern beanspruchte
Region ein. Nisibis konnte sich nur mit Mühe halten (Cass. Dio 76, 9, 1). Wollte Septimius Severus seine Vorstellung von einer
neuen, gesicherten Ostgrenze verwirklichen, so mußte er jetzt durch einen Partherkrieg (die Aktionen der Jahre 194 – 195 waren ja nur gegen Vasallen des Partherkönigs gerichtet) den entscheidenden Schritt tun. Die Aufstellung der
legiones Parthicae I–III
zeigte an, daß Severus mit hohem Einsatz zu kämpfen bereit war. Schon im Spätsommer 197 war er in Nisibis. Da der Partherkönig
sich zurückzog, unternahm Severus einen Zug ins südliche Mesopotamien, wobei ein Teil des Heeres auf Schiffen den Euphrat
hinabfuhr. Ziel war Ctesiphon, das erobert und den Soldaten zur Plünderung anheimgegeben wurde; an die hunderttausend Gefangene
lassen ermessen, wie groß die Beute war. Severus ließ es bei dem Abschreckungsschlag bewenden und kehrte diesmal am und auf
dem Tigris nach Nisibis zurück (Cass. Dio 76, 9, 3 – 5). Am 28. Januar 198 wurde in Rom die
victoria Parthica maxima
gefeiert; Septimius Severus nahm den Titel Parthicus maximus an.
Nun trat die Provinz Mesopotamia voll ins Leben. Sie erhielt einen Statthalter von Ritterrang (Cass. Dio 75, 3, 2), der entsprechend
dem Stellvertreter des Kaisers in Ägypten den Titel
praefectus Mesopotamiae
trug. Zwei Legionen wurden in der Provinz stationiert, |199| die
I Parthica
in Singara, die
III Parthica
in Rhesaena am Chaboras (die
II Parthica
war für das Lager am Albaner See bei Rom bestimmt). Der Chaboras bildete auf seinem Unterlauf von Thannuris bis zur Einmündung
in den Euphrat bei Circesium die Grenze (der Provinz Osrhoene) gegen das Partherreich. Von Thannuris aus zog sich die Grenze
(der Provinz Mesopotamia) über Singara zum Tigris hin. Septimius Severus gab Anordnung, die neuen Gebiete, die er als „Bollwerk
Syriens“ betrachtete (Cass. Dio 75, 3, 2), entsprechend zu befestigen. So entstanden Kastelle und Straßen. In diesem Zusammenhang
erhielt auch Dura-Europos eine seiner besonderen Lage angemessene Fortifikation. Nisibis, die Hauptstadt der Provinz Mesopotamia,
wurde mit dem Rang einer römischen Kolonie geehrt; auch Singara und Carrhae erfuhren diese Ehrung. Severus konnte stolz auf
sein Werk im Osten des Reiches sein, wenngleich seine Kritiker behaupteten, die neuen Provinzen kosteten mehr, als sie nützten
(Cass. Dio 75, 3, 3).
Nicht erfüllt hatte sich für Severus allerdings die Hoffnung, die in einer Oase 100 km südlich von Singara gelegene Karawanenstadt
Hatra erobern und für ihren Anschluß an Pescennius Niger bestrafen zu können. Zweimal war er in die Wüste gezogen, das zweite
Mal mit schwerem Belagerungsgerät, aber der Erfolg blieb aus, weil Severus (bei der zweiten Belagerung) eine günstige Gelegenheit
nicht ausnutzte (Cass. Dio 76, 12, 1 – 5). So mußte er denn hinnehmen, daß die Gefahr aus der Wüste für die neue Grenze bestehen blieb.
Die starke
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