Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Volk zurückgebe, was Nero ihm genommen hatte. Aus dem gleichen Grunde ließ Titus die Thermen des Goldenen Hauses
(nördl. des Kolosseums) zu einer öffentlichen Thermenanlage umgestalten. Die neue Dynastie ergriff begierig die Gelegenheit,
dem Stadtbild Roms ihren Stempel aufzuprägen, wobei auch an das Templum Pacis zu erinnern ist (vgl. oben S. 85) und hinzugefügt
werden sollte, daß Domitian den Raum zwischen diesem und dem Augustusforum durch das Forum Transitorium (später: Nervae) ausgestalten
und mit einem Tempel der Minerva, seiner Schutzgöttin, schmücken ließ.
Bei der Bautätigkeit der Flavier in Rom muß man sich vor Augen |90| halten, daß sie in einer Situation erfolgte, die in mancher Hinsicht an die nach dem Gallierbrand des Jahres 387 v. Chr. erinnerte.
Die Schäden, welche das große Feuer des Jahres 64 angerichtet hatte, waren keineswegs ganz behoben, als Vespasian die Regierung
übernahm. Überall gab es noch Trümmergrundstücke. Der Kaiser gestattete jedermann ihre Bebauung, wenn die Eigentümer dazu
nicht bereit oder in der Lage waren. Auch war nichts geschehen, um die bei der Zerstörung des Staatsarchivs auf dem Kapitol
zugrunde gegangenen Erztafeln (Gesetze, Verträge, Senatsbeschlüsse u.a.) zu ersetzen. Vespasian ließ mehr als 3000 Kopien
ausfindig machen und danach die Originale wiederherstellen (Suet. Vesp. 8, 5). In die Reihe dieser Maßnahmen gehörte auch
die 74 von Vespasian und Titus vorgenommene Pomeriumserweiterung (Corp. Inscr. Lat. VI 31538). Der Wiederaufbau des Jupitertempels
durch Vespasian ist schon erwähnt worden. Bei dieser Gelegenheit war auch von der erneuten Zerstörung des Tempels im Jahre
80 die Rede (oben S. 86). Durch die Feuersbrunst dieses Jahres wurde außer dem Kapitol vor allem das Marsfeld mit dem Pompeius-Theater,
der Porticus Octaviae, dem Pantheon und anderen öffentlichen Gebäuden betroffen (Cass. Dio 66, 24, 2). Die Katastrophe traf
Rom um so empfindlicher, als ihr eine furchtbare Pest voraufgegangen war (Suet. Tit. 8, 3). So standen auch Titus und Domitian
vor der Aufgabe, Rom wiederaufzurichten und der Stadt ihren alten Glanz zurückzugeben. In welchem Ausmaß dies gelang, konnte
man exemplarisch am Goldschmuck des kapitolinischen Jupitertempels ablesen: 12 000 Talente = 72 Millionen Denare (das Talent zu 6000 Denaren gerechnet) wurden dafür aufgewendet (Plut. Poblic. 15, 3)!
Eine Kasse, die in der Lage war, eine solch horrende Summe für ein einziges Bauwerk herzugeben, mußte gut gefüllt sein. In
der Tat hatte Vespasian alles getan, die Staatsfinanzen nach ihrer Zerrüttung durch seine Vorgänger zu sanieren und einen
Fonds anzusammeln, der noch seine Söhne in den Stand setzte, außergewöhnlich hohe Ausgaben zu bestreiten. Erst in den späteren
Jahren Domitians wurden die Mittel knapp, was die fatale Folge hatte, daß Domitian üble Praktiken (Erbanmaßungen, Majestätsprozesse
zum Zwecke der Konfiskation) anwandte, um an Geld zu kommen. Die Leistung Vespasians auf dem Gebiet des Finanzwesens erscheint
in desto hellerem Licht, wenn man akzeptiert, daß, wie er bei seiner Kaisererhebung sagte, 40 Milliarden Sesterzen nötig waren,
um dem Staat aufzuhelfen (Suet. Vesp. 16, 3). Nun war Vespasian allerdings auch der richtige Mann, um diese Aufgabe zu meistern.
Als |91| Sohn eines Zollpächters und Geldverleihers (Suet. Vesp. 1, 3) wußte er, wie man mit Geld umgeht, d. h. wie man es erlangt
und mehrt. Er tat auch den richtigen Griff bei der Besetzung des betreffenden Ressorts
( a rationibus
) in seinem Kabinett: Der Vater des Claudius Etruscus, ein Freigelassener, dessen eigener Name nicht bekannt ist, leistete
ihm mit seinem Sachverstand wertvollste Dienste (Stat. silv. 3, 3).
Für die Art, wie die Einkünfte des Staates erhöht werden könnten, schuf Vespasian bei seinem Aufenthalt in Alexandria (69 / 70) sozusagen ein Modell: Er überprüfte systematisch das gesamte Steuerwesen der Provinz, wobei er manche in Vergessenheit
geratenen Abgaben wiedereinführte, bestehende erhöhte und neue ins Leben rief (Cass. Dio 66, 8, 3). Wahrscheinlich installierte
er auch eine neue Behörde für das Steuerwesen Ägyptens, den
fiscus Alexandrinus
(vgl. Corp. Inscr. Lat. VI 5744). Ägypten bot in der Tat ein reiches Betätigungsfeld für einen Steuerreformer. Schon das Edikt
des
praefectus Aegypti
Ti. Iulius Alexander aus dem Jahre 68 (Font. iur. Rom. anteiust. I 58) hatte sich mit
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