Die kalte Brut
ohnehin illegal war, was sie schon die ganze Zeit über tat, interessierte die Reporterin nicht); sie drang in Darren Secadas ureigenste Intimsphäre vor, und das machte sie kribbelig.
Viel mehr noch als der Gedanke an ihn überhaupt .
Wie sehr dieser Mann sie faszinierte, wurde Seven van Kees erst in diesem Augenblick bewußt. Sie wollte sich fragen, was er getan hatte, was er an sich hatte, das solche Gefühle in ihr wachrief. Denn letztlich hatten sie doch nur ein paar Worte miteinander gewechselt, drüben in der Paddington Street.
Sie verbat sich, eine Antwort auf diese Fragen zu suchen. Weil es den knisternden Zauber, der sie gefangenhielt, womöglich zerstört hätte. Und das wollte sie nicht. Er würde früh genug vergehen -wenn er mit der Realität kollidierte ...
Seven seufzte wehmütig.
Nette Männer gingen ihr einfach nicht ins Netz.
Und vielleicht lag dieses Pech ja gerade daran, daß sie schon dachte wie eine Spinne: daß sie Männer (und Frauen) als Beute betrachtete, die ihr ins Netz gehen mußte ...
Aber immerhin, Träumen war erlaubt, und darin war Seven nicht einmal schlecht. Versonnen strich sie über Secadas zerwühltes Bettzeug, und sie kniete nieder, um an seinem Kopfkissen zu riechen.
»Ich muß völlig verrückt sein!« Als hätte sie sich verbrannt, so hastig sprang sie auf und verließ das Schlafzimmer fast fluchtartig.
Einen Raum der Wohnung hatte sie noch nicht unter die Lupe genommen. Seven öffnete diese letzte Tür und fand sich in einem Büro wieder, das gerade genug Platz für einen Schreibtisch nebst Stuhl bot. Die Wände verschwanden hinter Regalen, die wiederum dicht bestückt waren mit Aktenordnern, Schnellheftern und Stapeln loser Blätter.
Erst wollte Seven den PC einschalten, der auf dem Schreibtisch stand, dann griff sie jedoch erst in eines der Regale, zog wahllos den nächstbesten Ordner heraus und schlug ihn auf.
Er enthielt Zeitungsartikel, die nach dem Erscheinungsdatum geordnet waren, wie Seven beim flüchtigen Durchblättern feststellte. Und sie befaßten sich alle mit demselben Thema - Paddington Street, Hausnummer 333.
»Das ist ja ein Ding«, murmelte Seven.
Die Verbindung schien ihr unübersehbar: In der Paddington Street war sie Darren Secada begegnet, und er hatte sich dort in dieses merkwürdige Haus geschlichen, von wo er mit dieser noch viel seltsameren Frau zurückgekehrt war.
Aber was hatte das Ganze zu bedeuten? Wie hingen die einzelnen Teile zusammen?
Seven wußte, daß die Antwort buchstäblich zum Greifen nahe lag. Sie stand in diesen Regalen.
Die Reporterin streckte die Hand nach dem nächsten Ordner aus, aber sie berührte ihn nie.
Stattdessen - berührte etwas sie!
Wie inmitten der Bewegung von der nächsten Eiszeit überrascht, erstarrte Seven van Kees. Sie schauderte, aber es hatte nichts mit Kälte oder Erschrecken zu tun. Vielmehr wurde sie von einem Gefühl überrascht, das sie nie zuvor kennengelernt hatte - und nie mehr missen wollte, von dieser Sekunde an!
Diese Stimme . Sie war . elektrisierend, herrlich, wunderschön. Männlich im allerbesten Sinne.
Trotz der profanen Worte, die sie sprach, unmittelbar an Sevens Ohr.
»Darf ich fragen, wer Sie sind und was Sie hier tun?«
*
Lilith Eden verspürte ein eigenartiges Gefühl in sich, fremd einerseits und doch auch ganz vage vertraut, und sie fragte sich, ob es einem Menschen so ums Herz war, wenn er nach Hause zurückkehrte, heimkam.
Denn zweifelsohne war es das, was sie tat - sie kam nach Hause. In die Paddington Street. In diesem Haus, das die Nummer 333 trug, war sie zur Welt gekommen, hier war sie aufgewachsen, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn. Hinter diesen Mauern hatte sie erst 98 Jahre und dann die fehlenden zwei schlafend und träumend zugebracht, und in diesen Träumen hatte Lilith alles erfahren und gelernt über die Welt draußen.
Jetzt war sie wieder hier.
Und alles war anders.
In einer schmalen Gasse unweit von Doc Hendriks' Haus hatte sich Lilith in ihre Fledermausgestalt verwandelt und die Strecke bis zur Paddington Street fliegend zurückgelegt. In der Nähe ihres Geburtshauses steuerte sie eine ausladende Baumkrone an, ließ sich im Geäst nieder und transformierte zurück. Dann kletterte sie katzenhaft geschickt zu Boden - und landete genau vor einem kleinen Jungen, der sie aus großen Augen angaffte.
»Was ist, Kleiner?« fragte sie lächelnd. »Noch nie eine fliegende Frau gesehen?«
»Doch!« behauptete der Junge, kaum älter als sieben
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