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Die kalte Brut

Die kalte Brut

Titel: Die kalte Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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sauge die Schwärze die Helligkeit ein paar Schritte entfernt kurzerhand auf, und entsprechend eingeschränkt war Liliths Blickfeld. Sie kam sich vor, als bewege sie sich in einer Art Blase durch diesen Ozean aus Finsternis, der den Keller des Hauses geflutet hatte.
    Dennoch, stets dort, wo sie gerade nur aus den Augenwinkeln hinsah und wo die Dunkelheit wie eine Wand aus geschwärztem Stein aufragte, glaubte sie fortwährend Bewegungen auszumachen, geräuschlos und von der Art, wie ein Schatten verschwand, wenn man das Licht ausknipste.
    Die Ahnung festigte sich noch, als Lilith am Ende der kehrenreichen Treppe anlangte.
    Sie spürte mehr, daß vor ihr ein weites Gewölbe lag, als daß sie es sah, denn auch hier versickerte das Licht in tintiger Schwärze, noch ehe es auf eine Wand treffen konnte.
    Seltsam; als Darren Secada sie gestern hier gefunden hatte, war das Gewölbe von einem unwirklichen Licht erhellt gewesen. Ein Leuchten, das sie gleichsam beschützt hatte vor der Finsternis, die in tieferen Tiefen lauerte, und das erloschen war, nachdem Lilith erwacht war und das Haus verlassen hatte?
    Trotz der Dunkelheit erinnerte sich Lilith gut an diesen riesigen Raum, der sogar größer sein mochte als der Grundriß des Hauses darüber. Schließlich hatte sie hier vor Jahren ihre Mutter gefunden und von ihrer ursprünglichen Bestimmung erfahren. 2
    Lilith zuckte die Schultern. Diese Geschichte war längst vorbei und erledigt. Trotzdem weckte die Erinnerung an ihre Mutter Creanna ein wehmütiges, wenn auch flüchtiges Gefühl in ihr.
    Die Gegenwart indes verursachte ihr Angst. Weil die Schwärze ringsum auf einmal wie mit Sternen gespickt war. In schwachem Rot glühende Punkte, die paarweise ins Dunkel gestanzt schienen.
    Augen, die Lilith starr und kalt im Blick hielten.
    Sie waren da. Und sie waren überall.
    Die Ratten. Ein Dutzend?
    Mehr.
    Viel mehr!
    *
    Lilith konnte die Zahl der Augenpaare nicht schätzen. Aber sie versuchte es auch nicht wirklich. Weil etwas anderes sie weit mehr beschäftigte: Die Ratten rührten sich nicht. Sie griffen nicht an, verhielten sich still, beobachteten nur.
    Warum?
    Aus welchem Grund reagierten sie auf Liliths Anwesenheit anders als auf die der Polizeitruppen?
    Lag es daran, daß sie unbewaffnet war? Aber konnten die Kreaturen denn imstande sein, diesen Unterschied zu bemerken? An ihrem Instinkt allein konnte es nicht liegen, schließlich kam Lilith letztlich in derselben Absicht wie die Polizisten - um die Ratten zu vernichten.
    Oder spielte es eine Rolle, daß Lilith in dieses Haus gehörte, daß sie in gewisser Hinsicht ein Teil davon war, und wurde sie deshalb von der Rattenmeute akzeptiert oder zumindest doch in Ruhe gelassen?
    Zögernd ging Lilith einen Schritt vor. Langsam schwenkte sie die Lampe im Halbkreis. Der Strahl glitt über rosige Leiber, schälte bizarre Bruchstücke aller möglichen Gerätschaften aus dem Dunkel und ließ sie wieder darin versinken, wenn er weiterwanderte.
    Nicht die geringste Bewegung war auszumachen. Als sei alles um Lilith her eingefroren und nur sie noch in der Lage, sich zu bewegen. Selbst die filigranen, glitzernden Spinnweben in den Winkeln zwischen den Deckenbalken wirkten starr wie von Künstlerhand aus gläsernen Fäden gemacht.
    Lilith wagte einen zweiten Schritt, und wieder reagierten die Ratten nicht darauf.
    Sie überwand ihren Ekel und erfaßte eine der Kreaturen mit dem Lampenstrahl. Das Tier - fast weigerte sich Lilith, das Biest so zu nennen - kauerte unter einem schiefstehenden Tisch, die Vorderpfoten unter der Brust, den rosafarbenen Schwanz dicht am Leib, der fast nackt war. Nur vereinzelt sprossen Büschel borstigen Fells aus der Haut, die in ihrer Färbung der menschlichen ähnelte. Die Schnauze wirkte stumpfer als die einer gewöhnlichen Ratte, gerade so, als hätte sie sich ein klein wenig zurückgebildet. Und die Augen Lilith schluckte.
    Irgend etwas war in diesen Augen; etwas, das nicht in den Augen einer Ratte sein sollte. Etwas wie - Wissen, ein Funke von Intelli-genz und . Emotion?
    Unwillkürlich schüttelte Lilith den Kopf, erschrocken ob ihrer absurden Überlegung.
    Das konnte nicht sein.
    Aber gab es in diesem Haus etwas, das nicht sein konnte? Hatte sie nicht vorhin noch selbst im Stillen behauptet, hier wäre nichts unmöglich?
    Sie ließ den Lampenstrahl weitergleiten, bis er auf die nächste Ratte traf. Sie hockte am Fuß einer der steinernen Säulen, die das Deckengewölbe stützten. Auf den ersten Blick

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