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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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schneller sein als die Sonne, dachte ich, indem ich mich an die Worte erinnerte, die Calyx zu mir gesagt hatte.
    Ich faltete die Karte zusammen und steckte sie in meine Tasche, in der sich zwei Blasen voller Blut befanden, die mit einem Kraut vermischt worden waren, das das Blut an der Gerinnung hindern sollte. Von diesem Blut trank ich einen Schluck. Es war bereits sauer geworden, reichte aber aus, um
mir Kraft zu geben. Zwar war es nicht so frisch wie das von der Frau, von der ich zuvor getrunken hatte, aber es genügte, um mich auf der Reise zu ernähren.
    Ich lief über das gefrorene Meer, indem ich dem Licht der Vulkane folgte. Dann stieg ich in die Dunkelheit auf, indem ich mich mit noch mehr Kraft vorankämpfte als je zuvor, da ich mich mehr als zwanzig Stunden nicht mehr ausruhen konnte. Als die Vulkanfurchen, die ich verlassen hatte, nur noch eine ferne Erinnerung waren, erblickte ich unter mir wieder das Schäumen des Wassers. Die Nacht wurde allmählich wärmer, aber nicht durch die Sonne. Als ich den Ozean überquerte, spürte ich, wie hinter mir der Winter nachließ, wie ein Umhang, der fortgeweht wurde. Der gefrorene Ozean taute auf, eine Woge aus Eis, unter der das Wasser in einem Schwall aufgewühlt wurde. Ich blickte nicht oft zum Wasser hinunter, sondern hielt meinen Blick auf den Horizont und die Sterne gerichtet, um mich zu versichern, dass ich nicht vom Wege abkam. Allerdings vernahm ich ab und zu merkwürdige Geräusche und blickte dann hinab. Unter der Wasseroberfläche tauchten sonderbare grüne und gelbe Lichter auf, während an den gleichen Stellen Nebelschleier heraufwallten, als glühten dort unaufhörlich Vulkane unter Wasser. Ich sah große Ungetüme, Wale und andere Meeresgeschöpfe, von denen ich noch nie zuvor etwas gehört hatte, wie auch einen großen, mit Fangarmen versehenen Tintenfisch, dessen Haut unter der Oberfläche der Wellen leuchtete. Er bewegte sich wie ein Schatten parallel zu mir, indem er ebenso durch das Meer flog wie ich in der Luft über ihm.
    Wenn mich aber das Sonnenlicht mitten im Flug überraschte, so würde ich anfangen zu brennen und zum Eis und Wasser
unter mir hinabstürzen. In der zwölften Stunde meines Fluges war ich erschöpft, und in der vierzehnten spürte ich, wie mich das Bedürfnis nach Schlaf überkam, der Drang, zu irgendeinem verborgenen Ort zu entfliehen. Und dennoch flog ich weiter, das Verlangen, Land zu finden, war wie ein neuer Durst in meinem Inneren.
    Ich spürte den Strom, stärker, als er je zuvor gewesen war, wie eine brennende Fackel am Horizont. Da gab es noch andere, die so waren wie ich. Andere Vampyre. Pythia würde dort sein, und ich verspürte die Bewegungen von vielen, die danach strebten, ihren Durst zu stillen, indem sie ihrerseits in die Nacht hinausflogen, um zu jagen. Und sie konnten mich ebenfalls fühlen. Sie waren dort, überall auf diesem neuen Kontinent.
    Ich erreichte zwar nicht die Quelle des Stromes, konnte aber die Kraft derjenigen spüren, die seinen Strang hielten. Als sich die Nacht nach den langen Stunden, die ich geflogen war, dem Ende zuneigte, lag eine sehr kleine Felseninsel unter mir. In ihrer engen Bucht fand ich Schutz. Dort konnte ich mich am Morgen schlafen legen, während die Sonne über mir hinwegzog.
    In der folgenden Nacht erreichte ich dann einen Meeresarm und seine zahlreichen Inseln. Ich hielt meinen Kurs, auf die Stemenkonstellation zu, die ein Netz bildete. Die Spinne in der Mitte bildete mein Ziel. Ich flog in Richtung des sichelförmigen Landes jenseits der vielen Inseln und fand eine Höhle auf einem hohen Gebirgskamm. Dort schlief ich tief im Innersten der Felsspalten. Ich sah auf der Karte nach und korrigierte meine Abweichung vom Kurs, indem ich den Wegen folgte, die sich als Silhouette unter mir abzeichneten und über eine Halbinsel
führten. Das Land war in dem langen Winter, den ich hinter mir gelassen hatte, nicht im Sumpf versunken. Stattdessen verfügte es über eine milde Temperatur, die mich an den Sommer erinnerte, obwohl es beinahe Ende November war.
    Ich fand ein Dorf an einem schmalen Süßwasserstrom und stillte meinen Durst an einem Mann, der in die Nacht hinausgegangen war, um Wasser zu lassen. Sein Blut war süß. Ich hatte die Kunst, meine Opfer zurückzulassen, ohne sie getötet zu haben, vervollkommnet, auch wenn ich über keine moralischen Richtlinien dafür verfügte – aber ich hatte angefangen, über das Ziel im Universum der Vampyre nachzudenken. Dabei war es

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