Die kalte Koenigin
verlieren. Eines Nachts werden sich Aquil und Kulcan zusammenschließen, meine Enkelin Pacala wird ihre Armeen herführen, und dann werden sie in meine wunderschöne Stadt einfallen. Ich werde das Ende vom höchsten Tempel aus beobachten, und dann werde ich diesen Ort verlassen. Ich werde ihn seinem Schicksal überlassen.
Wenn ich mit dir reise, um die Schatten des Zorns meiner Schwester zu bekämpfen«, fragte er, »was würde es nützen?
Mein eigenes Reich wird erobert werden, denn niemand von meiner Familie wird bleiben, um zu kämpfen. Dies ist die Ahnenstadt und mein Geburtsort, Aleric. Ich trauere bereits jetzt um sie, denn ich weiß, dass die Nacht kommen mag, in der alles hier für uns enden wird.«
Schweigend standen wir einen Augenblick lang da, dann sagte er: »Komm, es ist ein ruhiger Abend. Heute Nacht spüre ich keinen Kampf. Alle sind erschöpft. Sieh, dort unten – siehst du, wie die Leute ihre Toten zu den Kanälen bringen? Sie legen sie auf flache Kähne, umgeben von Blumen. Denn sie glauben, dass sie in das heilige Meer unter dem Berg reisen werden. Sie glauben, dass auch sie Ixtars Kinder sind. Aber sie sind es nicht.«
»Dennoch ist es eine schöne Zeremonie«, bemerkte ich, indem ich die langen, flachen Boote beobachtete, die Fackeln am Rande der Kanäle und die roten, gelben und violetten Blumen, mit denen die Leiber der Toten bedeckt worden waren. »Sterbliche finden in solchen Ritualen Trost.«
»Und du suchst nach der Maske, um ebenfalls ein Ritual durchzuführen«, entgegnete er. »Verstehst du, was du mit dieser Maske entfesseln würdest?«
Ich schüttelte den Kopf, indem ich seine Gedanken zu lesen versuchte. Doch sie waren undurchdringlich.
Er blickte zu den Sternen hinauf und seufzte. »Ich habe dir vieles zu zeigen.«
Er führte mich zum Rand der Terrasse und deutete auf den großen Gebirgskamm, der direkt im Süden der Stadt lag. »Wir werden uns dorthin begeben, aber auf unterirdischem Wege.« Wir stiegen die Stufen zur mittleren Terrasse des Tempels hinab,
die von Bäumen, Blumen und seltsamen, schönen Pflanzen umgeben war. Ich folgte ihm zu einem Gang im Inneren. Durch diesen gelangten wir zu einer Treppe, die wir hinabstiegen, durch das Zentrum der Pyramide selbst hindurch. Wir kamen an Schädeln, Schlangen, Fledermäusen und Jaguaren vorbei, die aus Stein geschnitten waren, während wir abwärts eilten. Er sprang wie eine Spinne mit Händen und Füßen auf die Wand zu, die uns umgab. Nach beinahe einer Stunde erreichten wir das untere Ende der Treppe. Wir betraten den Eingang der Höhle und liefen erneut den Weg hinab, der vor uns lag, indem wir uns spiralförmig abwärts bewegten.
Endlich führte der Weg zu einer hohen Felsenkammer und einer weiteren Treppe aus Stein mit eingeschnittenen Figuren. Unter uns lag etwas, das wie eine Küstenlinie aussah, sowie ein Fluss. »Dieser unterirdische Kanal versorgt die Sterblichen, die in unserer Stadt leben, und außerdem ist er der Weg Ixtars persönlich, die unter der Erde wandelt«, erklärte er. »Einst war dies ein brennender Berg. Er kühlte sich ab, als meine Mutter aus dem unterirdischen Meer geboren wurde und die Lava sich darin abkühlte.« Er deutete in die Ferne und hieß mich zum anderen Ende dieser Höhle fliegen.
Als ich die andere Seite erreichte, während der Fluss noch immer zu meiner Linken lag, erblickte ich die Statue einer Göttin, die so groß wie ein Schloss war. Sie wurde von einem leuchtend gelben Funkeln umgeben, als würde Ixtar von Feuer beschützt werden.
Und sie bestand aus Gold. Es war so viel davon, dass es schien, als ob die Schatzkammern sämtlicher Könige der Erde geplündert worden und ihre Kostbarkeiten hierher gebracht worden wären.
14
Das glänzende Metall leuchtete wie die Mittagssonne auf ihrem Gesicht. Haufen von Münzen und Schwertern, ramponiert und lang; kleine Statuen von Frauen, Männern, Hunden und Hirschen; Gefäße und runde Kalendersteine aus Gold schmückten die schwarze Onyxplattform, auf der die Statue von Ixtar stand. Es gab Hunderte von ihnen. Einige waren im Sand vergraben, und nur ein Kopf oder ein Speer ragte heraus; andere waren in den Ecken des Felsabsatzes aufgestapelt. Ich hob ein paar von diesen auf. Es handelte sich um die Miniaturstatue eines Kaninchens, einen Krug, der vollständig aus Gold gefertigt war, und ein Schwert, das so schwer war, dass ich es kaum heben konnte.
»Gold ist ihr heilig«, erklärte Nezahual, der hinter mir stand. »Sie brachte
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