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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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von Ammen gesaugt hatten, deren Blut in die jungen Münder geflossen war? Die Statue war von hundert Schädeln und den Gebeinen der Toten umgeben – nichts davon bestand aus Kristall, sondern dies waren Opfer, die ihr gebracht worden waren. Das Blut vieler, das von Blutopfem stammte, befleckte ihre Knie und Schenkel.
    Ich dachte an die Statue der Lemesharra in Alkemara. Ich dachte an alle in Stein gemeißelten Götter der Erde. Gab es irgendeinen von ihnen wahrhaftig? War Nezahual wirklich der Bruder der Medhya?
    Hatte Ixtar tatsächlich je leibhaftig existiert, oder handelte es sich um die fantastische Deutung einer Vorstellung von Nezahual? Ihr Name klang so sehr nach dem der ägyptischen Göttin Ischtar beziehungsweise Astarte – hatte es sich bei diesen einst um dasselbe Wesen gehandelt? Ein fruchtbares Muttermonster? Selbst da glaubte ich an die Götter, denn als Vampyr hatte ich zu vieles gesehen, um dies nicht zu tun. Aber ich glaubte nicht daran, dass sie je den Schleier durchquert hatten. Und doch – Medhya war sowohl die Mutter meines Stammes als auch seine Vernichterin. Einst, in alten Zeiten, hatte sie über Myrryd geherrscht, und ihre Priester hatten ihr das Fleisch und Blut entrissen, um ihren Geist hinter den Schleier zu verbannen. Wie konnten diese Ideen Substanz besitzen? Wie konnte dieser Stein je gelebt haben?
    Ich blickte Nezahual an. Seine übernatürliche Schönheit war ein Kostüm, eine Haut, die er trug, um Sterbliche anzuziehen, damit er sich von ihnen nähren konnte. War er ein
Freund? War er ein möglicher Feind? Waren dies die Lügen seines Stammes, so wie ich die Legenden unseres Stammes gehört hatte?
    Wie konnte ein einziger Vampyr von gemischtem Blute Zeremonien dieser Alten durchführen und hoffen, damit mehr ausrichten zu können, als dieser Herr der Vampyre es je vermocht hatte?
    Als ich über diese Dinge nachdachte, sah ich plötzlich in seinen Augen, dass er in meinen Geist eingedrungen war. Er war imstande, Gedanken zu lesen. Darum musste ich vorsichtig sein. Ein verschmitztes, beinahe süßes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Ich hätte nicht gedacht, dass Mischlinge so – furchtsam sind.« Er streckte die Hand zu mir aus und drückte die Handfläche gegen meine Stirn. »Deine Gedanken sind wie Regentropfen. Sie fallen rasch und ruhig.« Er zog seine Hand wieder zurück und presste sie gegen seinen Mund und seine Nase, als wollte er meine Gedanken riechen. »Du fragst dich, ob ich ein Freund bin. Du fürchtest mich, Aleric. Du hegst Zweifel an deinem eigenen Weg.« Er nickte. »Ich jage so manchem Angst ein. Darin sind Könige besonders gut. Aber du – du bist wie ein Bruder für mich. Ja, ich roch das Mischlingsblut an dir. Aber ich roch auch deine Güte, mein Freund. Dies spüre ich bei meinen Verwandten nicht oft. Pythia besitzt keine. Sie verfügt über Leidenschaft. Sie kennt auch die Begierde. Keineswegs aber Güte. Ich hatte nicht erwartet, dass du dies in dir trägst.«
    »Güte?«
    Er nickte und blickte dann zur Statue seiner Mutter hinauf. »Sie verfügte ebenfalls über Güte. Ihre Kinder besitzen nur wenig davon. Selbst ich besitze recht wenig davon. Aber in dir
erkenne ich sie. Sie ist an deiner Rede zu erkennen. Sie liegt in deinen Gedanken. Es hat seinen Grund in deiner gewissenhaften Erziehung, die dich als Maz-Sherah deines Stammes zur Welt brachte. Am Blut lässt sich vieles erkennen, und der Geruch des deinen zeigt diese Güte. Ich achte dies an dir, Aleric. Sterbliche, die unsterblich werden, verfügen nur selten darüber. Es ist schwer, gut zu sein, wenn man nach Blut dürstet.«
    »Es gibt auch andere, die so sind wie ich«, erwiderte ich. »Wir müssen überleben, aber wir respektieren die Welt der Sterblichen.«
    »Das liegt daran, dass ihr einst sterblich wart«, meinte er. »Meine Verwandten verfügen nicht über eine solche Bindung. Wir benötigen unsere Sterblichen. Sie verehren uns. Wir vermitteln ihnen einen flüchtigen Eindruck von der Ewigkeit. Wir bedeuten ihre Herkunft, ihre Geschichte. Ihre Vorstellung von Großartigkeit. Sie kommen mit ihren Göttern in Berührung, wenn sie mit ihren Opfergaben zu uns kommen. Außerdem sind wir ihre Gerechtigkeit und ihre Gnade, auch wenn wir ihnen gegenüber gnadenlos sein müssen. Wir schlitzen ihren Feinden die Kehlen auf, damit sie sich uns unterwerfen und diese Städte zu unserem Ruhm erbauen. Aber wir bringen ihnen keine Güte entgegen, mein Freund.«
    »Der Priester des Blutes, Merod Al-Kamr,

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