Die kalte Koenigin
ihn in ihre Arme und vergiftet ihn, damit er sich nicht mehr gegen sie wehren kann. Dann beginnt sie von ihm zu trinken, während das Opfer bei vollem Bewusstsein ist. Sie fängt an, sich über Stücke von seinem Fleisch herzumachen, um ihren Hunger zu befriedigen. Ich nehme an, es ist schrecklich für einen Vampyr, auf diese Art verschlungen zu werden.«
»Ja.« Ich wusste nicht, ob in seinen Worten eine Drohung lag. Aber ich würde ihn nicht auf die Probe stellen, und ich würde hier nichts weiter als ein Besucher sein. Ich wusste, dass ich diesen Ort in der nächsten Nacht verlassen würde, und ich würde nichts unternehmen, wodurch ich diesen Plan gefährden konnte. Es gab etwas Bestimmtes, um dessentwillen ich hergekommen war: die Maske der Gorgo. Die Kriege zwischen Nezahual, seinen Brüdern und seiner Enkelin, die hier geführt wurden, interessierten mich nicht. Die Barbarei, einer Vampyrmutter einen vampyrischen Bruder zu opfern, ging mich nichts an, wenngleich sie eine unbeschreibliche Furcht in mir hervorrief. Ich wusste, dass alles Leben anderes Leben verschlang. Alle Lebewesen führten Krieg und kämpften um die Vormachtstellung. Darin bestand der Schrecken der Existenz. Ich hatte dies sowohl bei den Sterblichen als auch bei den Unsterblichen gesehen. Medhya selbst würde ihre Kinder fressen, um ihre Vorherrschaft in der Welt wiederzuerlangen. Sie würde uns die Haut abziehen, um sich ihr eigenes Fleisch zu erschaffen, wenn sie die Möglichkeit dazu erhielte.
Kriege brauten sich in meinem Heimatland zusammen, und die Tode meiner Kinder, Freundinnen und Freunde standen
meinem Herzen näher als Vampyre, die in ihren eigenen Ländern nicht miteinander auskamen.
»Möchtest du Ixtar sehen?«, fragte er. »Sie ist hier?«, fragte ich zurück. Aus dem Ausdruck auf seinem Gesicht konnte ich seine Verwirrung über meine Frage erkennen.
»Alles, was ich dir erzählt habe, entspricht der Wahrheit«, erwiderte er. »Sie existiert. Sie ist ewig. Solange sie am Leben ist, wird auch unsere Art überleben.«
»Ich hatte nicht gedacht, dass Götter auf der Erde weilen«, gab ich zurück.
»Mischlinge«, entgegnete er leise lachend.
Er führte mich zur Höhle ihres Nestes hinauf.
Als ich bei den zerbrochenen Totenschädeln am Höhleneingang ankam, roch ich den scheußlichen Gestank von verrottendem Fleisch und Tierexkrementen. Beide mussten wir uns ducken, als wir durch den allmählich finsterer werdenden Gang liefen. Wasser tropfte von der Decke, und der Boden war glitschig und uneben, so dass ich mich mit den Händen an der Höhlenwand abstützen musste, um mein Gleichgewicht nicht zu verlieren. Schließlich erweiterte sich die schmale Öffnung zu einer runden Kammer. Darin herrschte eine Temperatur, die beinahe der Hitze in der Mittagssonne entsprach. Hier stank es nach faulen Gerüchen, und die Feuchtigkeit von dem Fluss und den Wasserfällen in der Nähe ließ von den Felsen Dampf aufsteigen. Der nasse Boden war mit Gebeinen und Schädeln bedeckt. Viele von ihnen besaßen die langen, scharfen Zähne von Vampyren.
Dort lag sie auf einem Bett aus Erde, nur in Dampf gehüllt.
Es war schwierig, diese Kreatur mit der Ixtar in Einklang zu bringen, wie sie in der Statue dargestellt war, die ich gesehen hatte. Nichts von der femininen und sinnlichen Beschaffenheit der Statue war in der schlafenden Gestalt zu erkennen. Sie maß wenigstens vier Ellen, wenn nicht noch mehr. Ihre Haut war mit einer Art von rotem Staub gefärbt worden, so dass sie selbst blutrot wirkte. Sie lag auf dem Rücken, und ihre Armflügel waren weit ausgestreckt. Die Flügel waren lederartig und schuppig und sahen eher nach denen einer großen Fledermaus aus als nach denen eines Drachen. Auf ihrem rot gefärbten Gesicht waren Farbkreise und Muster eintätowiert, und zwischen ihren Lippen konnte man zwei gewundene Stoßzähne sehen. Bei ihnen handelte es sich nicht um richtige Vampyrzähne, denn sie ragten aus ihrem Gesicht hervor und drangen durch ihre Lippen. Ihre Nase und ihr Mund sahen eher wie die Schnauze eines Tieres aus, und weniger menschlich. Ihre lidlosen Augen waren weit geöffnet, es wirkte, als starre sie an die Decke der Höhle, aber ihre Atemgeräusche verrieten, dass sie sich in einem tiefen Schlaf oder einer Trance befand. Ihr Haar war schwarz und dicht, aber ebenfalls mit der roten Farbe eingepudert, als ob es sich dabei um irgendeine zeremonielle Bemalung handelte, die nicht entfernt werden konnte. Ihr Haar war direkt an
Weitere Kostenlose Bücher