Die kalte Koenigin
der Kopfhaut geflochten, aber weiter unten wirr und verfilzt, ungeschnitten und wild wachsend, so dass es sich in ihrem Schlaf wie eine Decke unter ihr ausbreitete. Ihre Brüste waren durch das Alter groß und lang, ihr Bauch dick und rund und leicht mit braunem Haar bewachsen, obgleich vieles durch den roten Puder verdeckt war, der auf ihrem Leib verteilt lag. Ich bemerkte, dass dieser Puder an bestimmten Stellen abgefallen war und dort
eine kreidebleiche Haut enthüllte. Ihre Hände – die sich unter ihrem Paar geflügelter Arme befanden – verfügten über dicke Muskeln, waren mit Schuppen besetzt und endeten in langen, gebogenen Klauen. Eine Hand war ausgestreckt, die andere steckte unter ihrem Busen. Damit umklammerte sie eine Obsidiankugel von der Größe einer Männerhand. Ich hatte sie schon einmal gesehen. Es handelte sich dabei um eine Kugel, die über einige Macht verfügte, und auch wenn ich wusste, dass die Wahrsagerinnen des Großen Waldes Kristall verwendeten, der zu solchen Kugeln geformt war, um in die Zukunft zu sehen, so wusste ich doch nichts über die Magie dieses Gegenstandes. Allerdings erblickte ich Schatten, die sich in ihrer Wölbung bewegten, als wohne dem dunklen Glas etwas Lebendiges inne.
Ixtars Lenden waren unbedeckt und ließen dichtes, lockiges Haar erkennen, welches von ihrem Bauch bis zu ihren Schenkeln reichte. Ihre Beine waren leicht gebeugt, während sie schlief, und schienen zu klein und zu schmal zu sein, um ihren Oberkörper tragen zu können. Auch war der Rest eines Schwanzes – nur ein dicker Stummel – zu sehen.
Ich erschauderte, als ich sie erblickte, und in mir stieg eine namenlose Furcht auf, als wäre ich von einem Traum in einen Albtraum übergewechselt.
»Sollen wir sie wecken?«, flüsterte Nezahual. »Sie wird sich vor dem Morgengrauen erheben, um den Gefangenen in dem Sarg unter uns zu verspeisen. Wenn wir sie jetzt aufwecken, so können wir vielleicht bei der Nahrungsaufnahme zusehen.«
»Nein«, entgegnete ich und trat zurück, um das Schlafgemach dieser Kreatur zu verlassen.
»Ich habe gesehen, wie tausend meiner Brüder und Schwestem
von ihr geboren wurden. Einst glitt ich als eines der zahlreichen Kinder der Schlange zwischen ihren Schenkeln hervor.«
Ich drehte mich um, um Ixtars Nest zu verlassen. Mein Herz pochte heftig. Ich konnte mir nicht erklären, woher die Angst stammte, die mich plötzlich überkommen hatte. Es schien, als ob ich einen geradezu ursprünglichen Schrecken zu Gesicht bekommen hätte, den ich auf der Stelle erkannt hatte, ohne zu wissen, was an ihrer Gestalt solches Entsetzen in mir hervorrief. Sie lag dort in der Kammer, und auf ihrem Gesicht konnte ich klarer erkennen, was für Ungeheuer wir waren, als ich es in Artephius’ Spiegel in den Kerkem von Taranis-Hir hatte sehen können. Ixtar war eine Abscheulichkeit auf der Erde, ein Fehler der Götter, zu ewigem Leben verdammt, dazu verurteilt, die Kreaturen hervorzubringen, die sich von dem Blut von Sterblichen emähren. Die Schlange und diese Fledermausgöttin, die beiden abscheulichsten Kreaturen aller Zeiten, hatten sich gepaart, um eine Rasse von Wesen hervorzubringen, die zwar sterblich aussahen, es aber gar nicht waren. Die Jugend und Schönheit von Vampyren war ein Trick, um zu verführen, nichts weiter – es war das Spinnennetz.
Als ich meine Verwirrung spürte, durch diese Gedanken verursacht, da wusste ich auch, warum sie mir auf der Stelle eine solche Angst eingejagt hatte.
Sie war selbst eine Spinne. Sie war eine Spinne in ihrer Falle, die ihr Netz um sich herum gewebt hatte. Die Obsidianstadt war ein Teil ihrer Falle, und die Stadt Aztlanteum war ein Netz, das sich über die Oberfläche der Erde erstreckte. Wir waren keine Götter. Wir waren aber auch keine Menschen.
Wir waren Kreaturen der Nacht, Parasiten, die Jagd auf die
Menschheit machten. Und diejenigen von uns, in deren Adern Mischlingsblut floss, würden noch mehr leiden als Nezahual und seine Geschwister in ihren Kriegen. Ich verfluchte die Priester des Blutes und die Priester des Fleisches der Medhya sowie alle, die die Blutlinie dieser fremdartigen Kreatur aus der Hölle in das Reich des sterblichen Lebens gebracht hatten. In meinem Geiste verfluchte ich die Götter und den Gott, die alle nicht existieren konnten, wenn solche Ungeheuer die Quelle allen Leides und jeden Krieges waren.
Nezahual folgte mir zum Eingang des Tunnels.
Ich kauerte mich nieder und legte mir die Hände auf das Gesicht,
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