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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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diesen verflochten waren lange, blaue und grüne Federn, und um diese wiederum wanden sich junge Vipern. Pythias Flügel wirkten wie Eis, und das Feuer der Sonne brach sich in ihren glitzernden Spitzen. Um ihre Taille und die Arme wanden sich Schlangen wie Armbänder und Borten, die sie in einem Gefängnis der Großen Schlange gefangen hielten.
    Und dort, in ihrer Hand, lag ein kugelförmiger Gegenstand, der aus einem dunklen, lichtdurchlässigen Stein gefertigt war. Dabei handelte es sich um Obsidian, einen Stein, der von der Schlange gesegnet worden war. In dieser Kugel erblickte ich eine wirbelnde dunkle Masse, als wäre in ihrer Rundung eine Welt enthalten.
    In dieser Vision rief Pythia nach mir. Rief mich bei dem Namen meines Schicksals. »Maz-Sherah!«, hallte ihre Stimme durch eine Höhle.
     
    In nur wenigen Nächten waren wir kräftiger geworden, da unsere mysteriöse junge Wohltäterin uns weiterhin das frische Blut von Sterblichen lieferte. Wir waren wieder zu den Jünglingen geworden, die wir damals gewesen waren, als wir in Vampyre verwandelt worden waren. Ich fühlte mich nicht länger
wie ein alter Mann mit unaufhörlichem Durst, sondern lebendig und kräftig. Auch Ewens blasse Wangen besaßen nun wieder einen rosigen Schimmer.
    »Wir sind wie Hunde in einer Hundehütte«, sagte Ewen, jedoch nicht unglücklich. »Sie werfen uns Knochen hin.«
    »Nicht Knochen, sondern Leben«, entgegnete ich. »Aus welchem Grunde sie das tun, das weiß ich allerdings nicht.«
    »Vielleicht ist Kiya mit einer Armee unseres Volkes hergekommen. Vielleicht... werden wir befreit. Vielleicht ist es vorüber.«
    »Vorüber?«, fragte ich. »Was hat sich denn verändert? Über uns gibt es nichts als menschliche Düstemis. Wir können uns nur vorstellen, wie sich die Welt unter ihrem Schutz verändert hat. Ich mache mir Sorgen um Kiya und die anderen aus unserem Stamm.«
    »Als wir vor Jahren das Feuer im Strom spürten«, flüsterte er, »da fühlte ich sie. Vielleicht gibt es sie nicht mehr, und wir sind die Letzten.«
     
    Mit einiger Übung konnte ich meine Hände gegen den kalten Stein pressen und mich wie eine Spinne an seinen zerklüfteten Kanten entlangbewegen. Ich kroch Stück für Stück nach oben. Es gelang mir, beinahe die Hälfte der Strecke bis zum Brunnenrand zu erklettem, bevor ich abrutschte.
    Ewen folgte mir. Für den Aufstieg hatte er sich nackt ausgezogen, da er das Gefühl hatte, Stoff und Leder behinderten ihn. Ich sah ihm zu, als er beinahe bis zum oberen Rande des Brunnens hüpfte. Von dort oben rief er nach mir und lachte so, wie ich ihn seit der Zeit vor seinem Tode nicht mehr hatte lachen hören.

    Es gelang mir, spiralförmig nach oben zu klettern, bis ich schließlich neben ihm kauerte. Über uns befand sich der Deckel aus Silber, von Blei umschlossen.
    Das Gefühl, das Silber in Vampyren auslöste – oder Quecksilber, um genau zu sein, denn es war die flüssige Form, die für Vampyre Gift enthielt -, ähnelte wohl dem, was für Sterbliche ein ansteckendes Fieber sein mag. Oder die Stiche zahlreicher Insekten, verbunden mit Erschöpfung und Schmerz. Es erschwerte das Atmen, und die Kehle wurde zugeschnürt, wie in einer Halsfessel. Meine Finger glitten von der glitschigen Felskante des Brunnens ab, und Ewen legte aus Angst abzustürzen seinen Arm um meine Taille.
    Langsam und vorsichtig kletterten wir wieder hinunter.
    »Nun wollen sie uns vernichten«, meinte ich. Wir würden der Auslöschung anheimfallen, die schlimmer war als der Tod selbst.
    Wir würden ewig leben, als Bewusstsein ohne Bewegung, in endlosem Durst, bis selbst unsere Asche diese gequälte Existenz bis zum Ende der Zeit bewahrte.
    »Aber du bist der Eine«, sagte er, als wir zum Boden der Grube zurückkehrten.
    »Sie wollen uns vernichten«, wiederholte ich. »Wir werden gegen sie kämpfen. Wir sind stark. Wir werden kämpfen, bis nichts mehr von uns übrig ist.«
    »Sie werden als Feiglinge kommen«, erwiderte er. »Das tun alle Sterblichen. Bei Sonnenaufgang. Wenn wir keine Kraft haben. Wenn wir nichts ausrichten können.«
    In jener Nacht schliefen wir Seite an Seite. Bevor der Tag anbrach, sprachen wir von den anderen, die wir verloren oder seit vielen Jahren nicht mehr im Strom gespürt hatten – Kiya,
die in Hedammu geblieben war, der Stadt der Toten, im fernen Heiligen Land. Vali, Yset und die Vampyre, die in jenem fernen Land zurückgelassen wurden.
    Es gab auch noch andere Vampyre, aber obwohl wir unsere Gedanken in den

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