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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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Gift!«
    Innerhalb von wenigen Sekunden schien er berauscht zu sein. »Es ist frisch«, sagte er zu mir, als er es mir herüberreichte. Sein Lächeln wurde deutlicher. »Frisch. Von einer Jungfrau. Von einer schönen Jungfrau. Einer starken Jungfrau.«
    Wir saßen zu zweit am frühen Abend da und tranken, obwohl ich nicht verstand, aus welchem Grunde eine Fremde zu uns kommen und uns Nahrung anbieten sollte. Nachdem mehrere Stunden der Nacht vergangen waren, blickte ich Ewen an und sah, dass seine Jugend und seine Kraft zurückgekehrt waren. Sein Haar wuchs nun wieder dicht, und in seinen Augen leuchtete die Leidenschaft des Lebens.
    Das Geschenk der Fremden hatte uns wiederbelebt. Trotzdem blieb ich noch misstrauisch.
    »Es ist ein Trick«, sagte ich.
    »Es kümmert mich nicht, ob sie herkommen, um uns bei
Morgengrauen im Schlaf zu töten«, meinte mein Freund. »Ich fühle mich, als könne ich der Sonne ins Antlitz blicken und dennoch überleben.«
    In jener Nacht, in der wir über mehr Kraft verfügten, als wir seit Jahren besessen hatten, erprobten wir erneut die Stärke unserer Flügel. So mögen sich Vögel fühlen, wenn sie ihre ersten Federn bekommen.
    Unsere Flügel breiteten sich aus. Wir spürten, wie sich neue Knochen und eine neue Haut über ihnen dehnten, dann wurden sie wieder eingezogen. Es war schon sehr lange her, seit ich gespürt hatte, wie sie sich bewegten. Die Flügel waren ein Geschenk des Stabes der Nahhashim gewesen – eine Kraft, die uns verliehen worden war, als wir uns auf die Reise begeben hatten, um die zerstörte Stadt Alkemara zu finden. Die uns verliehen worden war, als Ewen, Kiya und ich die Grabstätte des Priesters des Blutes geöffnet hatten und auf eine der Prophezeiungen des Fleisches getroffen waren.
    Selbst nachdem mir jener bedeutende Stab der Macht bei unserer Gefangennahme gestohlen worden war, waren noch gewisse Kräfte zurückgeblieben.
    Unsere Flügel wirkten schön, wenn es sich bei ihnen auch nicht um Engelsschwingen handelte. Sie waren lederartig und glitschig, wenn sie aus unseren Schultern zum Vorschein kamen. Es existierten Legenden, in denen es hieß, dass unser Volk von Drachen abstammte, und die Flügel bestätigten diese Sage, da sie unserer Gestalt Vornehmheit und Schrecken verliehen. Dennoch kamen sie durch Gedankenkraft zum Vorschein, wenn wir es wünschten. Sie waren Instrumente des Stromes selbst, und unsere Schulterblätter nahmen sie schnell wieder in sich auf, wenn wir sie nicht nutzten.

    Es war eine reine Freude zu spüren, wie sie sich bewegten, ihre klauenartigen Vorsprünge zu biegen und zu beugen. Es fühlte sich an, als wäre das Leben selbst zu uns zurückgekehrt.
     
    In jener Nacht begann ich starke Visionen zu erleben, eine nach der anderen.
    In einer von ihnen sah ich einen schwarzen, kugelförmigen Gegenstand, der durch ein inneres Licht leuchtete.
    Ich sah ihn in der Hand des Wesens, das mir damals mein Leben genommen hatte, mein Blut, und mich zum Vampyr hatte werden lassen.
    Zu sagen, dass ich sie sah, wäre eine Lüge – denn sie kam nur in meinen Gedanken zu mir.
    Sie trug eine Maske, die keiner anderen ähnelte, die ich je gesehen hatte – nicht die Goldmaske der Scheibe, sondern eine aus mattgrüner Jade. Die Maske wies die primitiv gemeißelte Figur einer Schlange auf. Sie glänzte sowohl grün als auch silbern, als befände sich das gefährliche Metall unter dem lichtdurchlässigen Stein.
    Es schien mir, als sähe ich durch die Maske, durch das vom Mondschein erleuchtete Wasser eines Höhlensees hindurch auf das Gesicht der Frau. Und alles, was ich erkennen konnte, waren dunkle Augen.
    Sie kam nicht so zu mir, wie ich sie gekannt hatte.
    Pythia, die Python, Tochter Alkemaras, Tochter von Merod Al-Kamr höchstpersönlich, dem Priester des Blutes.
    Der Priester, der einst das Geheimnis unserer Art ins Leben rief, nachdem er die Worte des Blutes durch singende Gräser vernommen hatte; und sie, diejenige, welche mir mein sterbliches
Leben gestohlen hatte und mir mit ihrem Heiligen Kuss Tod und Unsterblichkeit zugleich gegeben hatte. Sie kam nicht als jene übematürliche Schönheit und Schreckensgestalt zu mir, deren Drachenflügel sich entfaltet hatten, als sie in meinem Wesen etwas Entsetzlicheres gesehen hatte als ihren eigenen grässlichen Vampyrismus.
    Doch in meinen Gedanken sah ich sie in goldenen Gewändern, maskiert, mit einer Krone aus den spitzen, langen Blättern einer Pflanze, die ich nie zuvor gesehen hatte. Mit

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